Das Bonner Bauernopfer

■ Der 'Bonner Generalanzeiger‘ feuerte seinen Chefredakteur wegen Mangels an Hauptstadtpatriotismus/ Kotau vor Anzeigenkunden?

Bonn. Noch ist das Gezerre um künftige Hauptstadtfunktionen zwischen Bonn und Berlin im Gange, da ist schon das erste publizistische Opfer zu beklagen. Der 'Bonner Generalanzeiger‘ feuerte letzte Woche seinen Chefredakteur, Friedhelm Kemna, weil er sich im Gegensatz zu den Herausgebern seines Blattes geweigert hatte, den harten Kurs gegen Berlin als Hauptstadt mitzumachen.

Er plädierte für eine Funktionsteilung der beiden Städte. Bonn, sagte Kemna, »steht für vierzig Jahre Demokratie und Stabilität und dieses muß mit der Beibehaltung von Regierungsämtern unterstrichen werden. Berlin aber, kann nicht nur symbolisch Hauptstadt genannt werden, sondern muß mit Funktionen, entsprechend seiner nationalen und internationalen Bedeutung ausgestattet werden«. Solch moderate Töne waren dem 'Generalanzeiger‘ schon zu defätistisch. Zum eigentlichen Bruch mit dem Verlag kam es, als das Blatt eine Meinungsumfrage unter Bundesbediensteten in Auftrag gab, und Kemna das vorauszusehende Ergebnis in einem Kommentar als bloßen Diskussionsstoff abtat.

Ihm wurde gekündigt, was wiederum helle Empörung beim Journalisten-Verband Berlin auslöste. Dessen Vorsitzender, Hanns-Peter Herz, bescheinigte Kemna in einem Offenen Brief, in seiner siebenjährigen Amtszeit als Chefredakteur die Zeitung »vom dümpelnden Provinzblatt zur national wie international geachteten, wie es schien, liberalen Tageszeitung« gemacht zu haben. Der Journalisten-Verband vermutet, daß der 'Bonner Generalanzeiger‘ sich dem Druck von Anzeigenkunden beugte und Kemna zu einer Art Bauernopfer wurde.

Der Geschaßte sieht die Kündigung »kühler«. Nach den Bestimmungen des Arbeitsrechts sei die Zeitung ein »Tendenzbetrieb», bei grundlegenden Meinungsverschiedenheiten müsse der Chefredakteur gehen und nicht der Verlag seine Linie ändern. »Aber ich gehe mit aufrechtem Gang«, sagte er, »und empfinde die Vehemenz, mit der in Bonn Umzugsängste formuliert werden, in dieser politischen Situation völlig unangemessen«. aku