Verdünnung

■ bert.: "Kontinuität und Bruch" von Freya Klier, taz vom 26.9.90

betr.: „Kontinuität und Bruch“ von Freya Klier, taz vom 26.9.90

Freya Kliers Kommentar zu kommentieren heißt, ihn eigentlich zu verdünnen. Mir scheint aber, besonders der Linken im Westen mangelt es an Potenz, trotz aller Fakten, die die SED/PDS nach wie vor als stalinistische Partei ausweisen, sie als solche zu identifizieren. In dem Wissen, daß „Milch“ oftmals mehr als „feste Speise“ auszurichten vermag, sei mir eine solche Verdünnung gestattet.

Nicht wenige ostdeutsche Linke fühlten sich zu Zeiten vor der sogenannten Wende von den West-Grünen verraten, wenn sie die staatliche Anerkennung der DDR von der Bundesregierung forderten. Hieß das doch nichts anderes, als auch die damalige Regierung samt deren Machenschaften zu legitimieren. Konnte frau/man dies noch mit dem Hinweis auf ungenügende Kenntnis der wahren Lage seitens der West- Grünen in der DDR tolerieren — unnötig zu illustrieren, wie gerade diese DDR-Regierung ihr Mütchen an der Niederhaltung der linken Opposition zu kühlen wußte —, so vermögen viele gegenüber einigen West-Grünen diese Toleranz heute nicht mehr aufzubringen. Verstanden damals bereits viele Linke/Grüne im Westen nicht, daß auch die Lüge nur an der Wahrheit Bestand haben kann, ja, sie sich durch sie nährt, so haben wir es augenblicklich mit der Fortsetzung dieses Nichtverstehens zu tun.

Der Kritik Honeckers und seiner Handlanger am westlichen System und dessen Negation wurde beigepflichtet, ohne darauf zu achten, wie die Position jener Kritiker aussah. Heute wird die PDS im Westen bejubelt, indem von ihrer Vergangenheit, der völligen Farce ihrer Reformierung und von den sie (vor allem) finanziell tragenden Kräften in einem erschreckenden Maß abstrahiert wird. Eine Partei darf noch lange nicht als links gelten, weil sie in einem Gregor Gysi einen Vorsitzenden gefunden hat, der einigermaßen gekonnt die Register marxistischer Kritik am kapitalistischen System zu ziehen weiß. Wiederum auch hier übersehen die Linken im Westen die Position, von der aus die Negation des kapitalistischen Systems betrieben wird. Um es deutlicher zu sagen: noch nie wurde der Teufel mit Beelzebub ausgetrieben.

Den Streit der West-Grünen um ihre Stellung zur PDS, in einem Links-Rechts-Schema einzubinden, geht völlig an der Sache vorbei. Die PDS, in ihrer Gesamtheit betrachtet, ist keine linke Partei. Das Für und Wider PDS kann nur als eine Entscheidung für oder gegen die Wahrhaftigkeit betrachtet werden. Wer meint, sich ehrlichen Herzens mit der PDS einlassen zu können, holt sich die Lüge und Korruption ins Haus. Erste Anzeichen hat es bereits gegeben, in welchem Geist diese Partei auch weiterhin zu arbeiten gedenkt. Die taz berichtete neulich von einem Abwerbungsversuch eines Abgeordneten(?) der Grünen durch die PDS. In uns altbekannter stalinistischer Manier versuchte diese Partei, ihn mit Geld für eine Kandidatur für sich zu gewinnen. Sollten die West-Grünen es nicht verstehen, sich „vor dem Sauerteig der Pharisäer zu hüten“, von nicht wenigen ostdeutschen Linken, so meine ich, werden sie ihre Quittung zur Deutschlandwahl als erstes erhalten. Andreas Karras, Halle (Saale)

Endlich mal wieder ein deutliches Wort zum Thema SED-PDS. Wer hat denn die SED-Genossen gezwungen, PDS-Genossen zu werden? Doch die Bürgerbewegungen und nicht etwa ein Oppositionsflügel in der SED. Nach 40 Jahren Frühkapitalismus mit feudalistischen Machtstrukturen unter Zwangsführung einer erzkonservativen, autoritären, militaristischen Einheitspartei und ihrer befreundeten Blockflöten, haben sehr viele Leute in kurzer Zeit dieses Trauma real existierender „Sozialismus“ vergessen oder verdrängt.

Und noch einige Sätze an die „Wessis“, welche dem charismatischen Bonzensöhnchen Gregor Gysi geradezu mit religiöser Begeisterung an den Lippen hängen. Wenn Ihr aus Eurer Gregor-Hysterie wieder erwacht, schaut doch mal auf das PDS- Konzept und die Leute, die zur PDS gehören. Das PDS-Konzept ist doch eine Mischung aus unbeirrbarem Technikglauben und dogmatischen Vorstellungen des ausgehenden 19.Jahrhunderts. Was denken eigentlich diese Linke Liste/ PDS-Anhänger, wer für die Atomkraftwerke und die diversen Umweltskandale in der DDR verantwortlich ist? Über das Thema Stasi-Vergangenheit und Rückgabe des SED-CDU- LDPD(FDP)-Vermögens möchte ich mich gar nicht weiter äußern. Die Fan-Gemeinde von Gregor sollte sich einmal die Mühe machen, in den Osten Deutschlands zu reisen. Dort können sie diverse Exemplare des Typs Apparatschik/Funktionär betrachten, welche den intelligenten Gregor nur dazu benutzen, um ohne Bruch in die D-Mark-Zeit überzuwechseln und weiterhin ihren Egoismus und Starrsinn zu pflegen. Uwe Meier