Kein Geld für lesbische Aids-Aufklärung

■ Bundesfamilienministerium: Spezifische Lesbenbroschüre leistet der Diskriminierung Vorschub/ Antrag der Berliner Lesbenberatung wurde abgelehnt

Bonn/Berlin (taz) — Das Bundesfamilienministerium lehnt die Finazierung einer Aufklärungsbroschüre „Was haben Lesben mit Aids zu tun“ ab. Der Antrag der Berliner Lesbenberatung sei eingehend unter Einbeziehung von „Vertreterinnen der Zielgruppe“ geprüft worden. Das Ergebnis sei „leider nicht positiv ausgefallen“, heißt es im Schreiben des Ministeriums vom Frühjahr, das jetzt erst bekannt wurde.

Begründet wird die Abfuhr mit folgenden Befürchtungen: „Lesbische Frauen dürften die am geringsten von der HIV-Problematik betroffenen sexuell aktiven Menschen sein. Somit würde eine [...] spezifische ,Aids-Lesben-Broschüre‘ der Diskriminierung lesbischer Frauen Vorschub leisten und wird deshalb als kontraproduktiv eingeschätzt.“

Das sieht die Berliner Lesbenberatung anders: „Lesben sind zwar keine Hauptbetroffenengruppe, aber sie haben auch ein Recht auf spezifische Aufklärung und Information,“ so Projekt-Mitarbeiterin Martina Fremznick. Es sei daher wichtig, vorhandenen Verunsicherungen entgegenzutreten. „Das Ministerium sieht hier lesbische Frauen wieder nur unter dem sexuellen Aspekt: Es gibt aber lesbische Fixerinnen oder Lesben auf dem Strich.“ In den bisherigen frauenspezifischen Broschüren seien Fragen von Lesben ausgespart.

Tatsächlich sind für zahlreiche Einzelgruppen wie Jugendliche oder AusländerInnen spezifische Aids- Aufklärungsmaterialien finanziert worden — bei den Lesben geht dies offenbar nicht. Auch sind aus den USA bereits mehrere Fälle von Aids- Erkrankungen bei lesbischen Frauen bekannt geworden. Wenn dabei der Übertragungsweg in der Regel auch der gemeinsame Gebrauch von Spritzbestecken war, so gibt es bereits einige wenige Fälle sexueller HIV-Übertragung.

Insider aus dem Ministerium verweisen allerdings darauf, daß der wirkliche Grund für die Ablehnung des Finanzierungsantrages wohl eher in der Angst der Ministerin Ursula Lehr vor Schwul-Lesbischem zu suchen ist. Im vergangenen Jahr hatte das Ministerium auch die Absicherung eines Stopp-Aids-Projektes für schwule und bisexuelle Männer in Köln als Modellprojekt abgelehnt. Das Projekt stellte noch eine „Erblast“ aus der Ära Süssmuth dar, die man offenbar loswerden wollte.

Die Lesbenberatung jedenfalls hat immer noch vor, ihre Infobroschüre auch bundesweit zu verteilen und wird Widerspruch gegen die Entscheidung des Bundesfamilienministeriums einlegen. Andreas Salmen

Die Broschüre „Was haben Lesben mit Aids zu tun“ ist erhältlich bei der Lesbenberatung, Kulmer Straße 20A, 1000 Berlin 30, Telefon 030/ 2152000.