„Ich werde nicht mit Eiern beworfen werden!“

Der neue Oskar Lafontaine machte in Leipzig behutsamen Wahlkampf: „Glück auf, Leipzig! Glück auf, Sachsen!“  ■ Aus Leipzig Stefan Schwarz

Es war nicht gerade fahnenschwenkendes Getümmel, wie es auf die Verheißung „Kohl kommt!“ vor sächsischen Rednertribünen einsetzt. Eine eher heimelige Zusammenkunft hatte am Samstag abend den Leipziger Altmarkt gefüllt, um die Sozialdemokraten mit Anke Fuchs als Kandidatin für den Ministerpräsidentenjob im Landtagswahlkampf zu genießen. Auf der Empore des Leipziger Alten Rathauses — bestens geeignet, einen Freistaat auszurufen — stand neben der Spitzenfrau auch der Mann, den auch jüngste Sozialdemokraten schon kumpelhaft „Unser Oskar“ rufen. Aber wer den ausgreifend gestikulierenden Tribun erwartet hatte, wurde enttäuscht. Hatte zuvor die schon gut eingesächselte Anke Fuchs noch mit scharfen Worten die „infame Kumpanei“ zwischen PDS und CDU gegeißelt und multiplikatorische Befehle an die Masse ausgegeben („Wenn jeder von Ihnen fünf Bürger gewinnt...“), so führte Sachsens SPD-Geschäftsführer Voss Lafontaine mit den Worten von „Hilfe und Behutsamkeit“ ein. Der trat daraufhin mit solch schüchterner Pose vors Mikrophon, als wäre ihm im Traum ein Engel mit der Botschaft „Du sollst nicht immer so heftig sein!“ erschienen. Immerhin wetterte er gegen die ostdeutsche CDU-Garde, die als Minister ohne Geschäftsbereich für gewichtige Untätigkeit jeweils 35.000 Märker einheimsten (finstere Unruhe auf dem Markt). Lafontaine lobte die sozialdemokratischen Erfahrungen im Umgang mit darniederliegenden Industrien und warnte vor „italienischen Verhältnissen“, in denen ein reicher, hochproduktiver Landesteil den anderen gleichsam nebenher immer weiter abhänge. „Aldi steigert den Umsatz um 200 Prozent, und hier kracht die Wirtschaft zusammen!“, rief er in kurzer Aufwallung. Fazit: Staatliche Beschäftigungsprogramme müssen her, Arbeit statt Arbeitslosigkeit bezahlen. Am Ende senkte der behutsame Oskar so sehr die Stimme, daß man erwartete, gleich würden sich alle Zuschauer an den Händen fassen, und sprach: „Ich habe versucht, Ihnen keine wolkigen Versprechungen zu machen. Glück auf, Leipzig! Glück auf, Sachsen!“ Das folgende Pressegelage sah wieder einen munteren Lafontaine, der seine verhaltene Rede vermutlich korrekt einordnete. „Eines Tages werden hier Politiker mit Eiern beworfen werden. Ich werde nicht dazugehören!“