Köpenick — die Waschküche von Berlin

■ Von Spindler über Blütenweiß zu Rewatex

Köpenick. Schon immer wurde der Ort an der Spree die »Waschküche Berlins« genannt. Um die Jahrhundertwende reihten sich am Ufergelände über 400 kleine Wäschereien aneinander, zumeist betrieben von aus Schlesien und Pommern eingewanderten Proletarierfrauen. 1918 wurde in Köpenick eine der ersten Wäschereigenossenschaften Deutschlands gegründet. Die Genossenschaft besteht noch heute, mit zwei Dampfwäschereien in der Freiheit 7 und in der Grünauer Straße 71-73.

Die Königin unter den Wäschereien war aber immer Rewatex bzw. die Vorläuferfirmen. Das ehemalige Kombinat existiert heute noch in den Klinkerbauten, die die Familie Spindler im vorigen Jahrhundert errichten ließ. Das »Etablissement Spindlersfeld bei Cöpenick« beschäftigte um 1870 knapp 2.000 Arbeiterinnen, besaß über 500 Agenturen und 35 Ladengeschäfte in allen großen Städten Deutschlands. Das »Hauptcomtoir« war der heute noch in der Berliner Wallstraße 12 existierende »Spindlerhof«. Von dort aus wurde der Kontakt mit der »über den gesamten Continent ausgebreiteten Kundschaft aufrecht erhalten«.

1923 wurde die Spindlersche Privatfirma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und zum großen Teil an die Schering AG verkauft. Während der Kriegsjahre ab 1939 schufteten erst französische Kriegsgefangene, später OstarbeiterInnen und Frauen aus dem Konzentrationslager Ravensbrück an den Waschtrögen und Handmangeln. Statt Spitzen und Ballkleidern wurden jetzt blutige Wehrmachtsuniformen gereinigt und gestopft.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Unternehmen enteignet — wann genau, läßt sich angeblich nicht mehr feststellen. Die Rewatex-Firmenleitung hat, wie Pressesprecher Schütz erzählt, Mitarbeiter beauftragt, »die jetzt in den Liegenschaftsämtern herumkrauchen und die wahren Eigentumsrechte versuchen herauszufinden«. Um nicht mit Rückerstattungsforderungen der Schering AG konfrontiert zu werden, hofft das Unternehmen, daß der Betrieb noch vor 1949 enteignet wurde. Hoffnung besteht, denn schon 1945 entstand aus der Spindler-Schering AG die »VEB Blütenweiß«. Unter diesem schönen Namen arbeitete das Unternehmen bis 1968. Aber dann kam der VIII. Parteitag über das Volk, und die neue Devise hieß: groß, größer, am größten. Am größten schien ein Kombinat zu sein — und Dutzende von bis dahin unabhängigen Familienwäschereien wurden in das neue »Dienstleistungsunternehmen« zwangsweise integriert.

Neuer Chef wurde Ottokar Strahl, und er ist es heute noch. Strahl durfte in der Praxis erproben, was er in seiner Examensarbeit »Dienstleistungswäscherei und Reinigungswesen« als sozialistische Zukunftsaufgabe formuliert hat. Mit dem neuen Firmenmotto »Reinlichkeit — alles aus einer Hand« entstand die Rewatex, die »Vereinigten Wäschereien von Berlin — Reinigen, Waschen, Textilien«. Seit dem 3. Juli ist das Unternehmen wieder eine AG, und die neue Marktaufgabe lautet: unter dem alten Kombinatsnamen neue Kunden gewinnen. aku

Seit Juli gibt es in der Luisenstraße 23 ein kleines Wäschereimuseum. Das »Heimatgeschichtliche Kabinett« in Köpenick bereitet für den Herbst eine Ausstellung »Köpenick — die Waschküche Berlins« vor.