»Reinlichkeit aus einer Hand«: Die Rewatex AG

■ Das ehemalige Wäschereikombinat in Köpenick will auch im Kapitalismus waschen, mangeln, bügeln/ Noch liegen die Aktien bei der Treuhand

Köpenick. Wäscheberge überall, verpackt in weißen Leinensäcken. Berge, so hoch wie der Mount Everest und trotzdem abzutragen innerhalb eines Tages. Die Rewatex AG, vor wenigen Wochen noch Volkseigener Betrieb und als Dienstleistungsbetrieb dem Magistrat unterstellt, ist das größte Wäschereiunternehmen in der Stadt. Und hier in Köpenick ist der Stammsitz, hier am Ufer der Spree befindet sich die größte der 104 Waschanstalten des Unternehmens. Aus 40 Annahmestellen, verteilt über die ganze Stadt, wird täglich die schmutzige Haushaltswäsche herangefahren, Rewatex versorgt um 333.000 Berliner Haushalte mit schrankfertiger Wäsche. Weitere Berge von Mietwäsche kommen aus den Arbeiterwohnheimen, den Hotels, Gaststätten, Konsumgenossenschaften und Betrieben. An knapp 1.000 Einrichtungen verleiht die Firma Wäsche und Berufsbekleidungen. Insgesamt werden rund 30.000 Stück Textilien pro Tag durch die Waschmaschinen gejagt.

Die tägliche Arbeit

Flinke Vietnamesinnen sortieren in den beiden Bereichen, Haushalts- und Mietwäsche, die gelieferte Ware. Jeder Wäschesack bekommt einen Kennzeichnungsbuchstaben, jedes herausgezerrte Stück eine Nummer, damit Frau Müller auch wieder Frau Müllers Bettbezüge zurückbekommt. Arbeitsvorbereitung nennt sich das Ganze. Weiße Wäsche kommt auf ein Förderband, bunte auf ein anderes, am Ende rutschen die Kopfkissen und Handtücher in große Säcke, »Gehänge« genannnt, weil sie an ein Laufwerk angehängt werden. Der Waschvorgang selbst ist voll automatisiert. Ein »Anlagenfahrer« bedient die elektronische Taktwaschanlage; ein westliches Produkt, schon vor Jahren erwirtschaftet durch devisenträchtige Aufträge Westberliner Hotels. An einem Schaltpult werden die Programme je nach Verschmutzungsgrad und Belastbarkeit eingestellt, und ab geht es. Vorwäsche, Hauptwäsche, Spülvorgang, Pressen, das Ganze in drei bis acht Minuten und mangelfertig.

An den meterbreiten Mangeln stehen auch hier meistens Frauen, die Mehrzahl Vietnamesinnen, und mangeln, mangeln, mangeln. Acht Stunden täglich, im Zweischichtsystem und für einen monatlichen Durchschnittsnettolohn von 850 Mark. Die noch heiße Wäsche wird zum Abschluß zusammengefaltet und entsprechend den Buchstaben und Nummern auseinandersortiert. Wenn alles gutgegangen ist, bekommt Frau Müller ihre Handtücher, Kissenbezüge, Laken und Bezüge komplett zurück, sauber und nicht verfärbt.

Rund 3.000 Menschen arbeiten heute im gesamten Unternehmen, tausend weniger als noch im Sommer. 70 Prozent der jetzt Beschäftigten sind Frauen mit einer Betriebszugehörigkeit von mehr als fünfzehn Jahren. Ein Drittel von ihnen arbeitet in Köpenick, der Rest in den Annahmestellen, in den Waschsalons der Wohnbereiche, in der auf Krankenhauswäsche spezialisierten Nebenwaschanlage in Buch oder in einer der beiden Gefängniswäschereien Rummelsburg und Grünau. Seit der Amnestie im Frühjahr waschen in Rummelsburg und Grünau nicht mehr Gefangene die »Blaumänner« und Tischdecken, sondern LohnarbeiterInnen von Rewatex, meist Ausländer.

Seit 1988 sind die Vietnamesen da. Mehr Frauen als Männer, die meisten blutjung. Von den 646 ArbeiterInnen sind 31 vor vier Wochen schon nach Vietnam abgeflogen, weitere 150 werden im Oktober folgen. Der Bürochef Ralf Maly hofft, daß die restlichen bleiben wollen und vor allem bleiben können. »Wir brauchen sie«, sagt er, »sie sind eingearbeitet und zuverlässig.« Eine »offene« Ausländerfeindlichkeit sei im Betrieb nicht zu merken, meint auch Pressesprecher Norbert Schütz. Problematisch sei aber die Situation im Arbeiterwohnheim des Betriebes. »Wir haben vorsichtshalber angewiesen, daß die Frauen in die oberen Stockwerke der Häuser umziehen«.

Die Wäscheberge, die zigtausend Laken und Handtücher in der Abteilung Arbeitsvorbereitung täuschen. Es ist nicht alles so rosig wie es aussieht. Der Sprung in die Marktwirtschaft bescherte auch dem ehemaligen Musterkombinat Probleme, über die Zukunft muß nachgedacht werden. Denn außer dem üblichen »Sommerloch« litt und leidet das Unternehmen auch am Niedergang der Industrie und an der Währungsunion. Weil die Preise nicht mehr vom Staat gestützt werden, hat sich der Kilopreis verdreifacht. Ein Kilo abgegebene Wäsche kostet die Hausfrau nicht mehr eine Mark, sondern 2,95 DM. Auch die Leihkunden sind vorsichtiger geworden. Berufswäsche muß jetzt länger getragen werden, und die vielen Entlassenen brauchen gar keine mehr. Will der Betrieb nicht ins Strudeln geraten, müssen neue Wege begangen werden, und Rewatex versucht sie zu gehen.

Marktwirtschaftliche Gehversuche

Schon im Frühjahr überprüfte eine Westberliner Unternehmensberatung die Lebensfähigkeit des Betriebes und kam zu dem Ergebnis, daß die Marktaussichten gut sind, wenn Rewatex sich auch außerhalb Berlins neue Märkte erobert. Nach dem Motto »Reinlichkeit aus einer Hand« sollten überall im Land neue Annahmestellen eröffnet und das Dienstleistungsangebot, von mobiler Teppichreinigung über Münzsalons bis zu Autowaschanlagen, erweitert werden. Die Experten empfahlen daher, das Kombinat nicht in diverse unabhängig arbeitende GmbHs zu zersplittern, sondern sich — und das war ein Novum — in eine Aktiengesellschaft umzugründen; »Rewatex ist börsenfähig«, lautete ihr Fazit.

Am 3. Juli war es dann soweit. Der VEB wurde zu einer AG mit einem Stammkapital von 20 Millionen DM. Seit diesem Tag liegen nun die Aktien bei der Treuhandanstalt und warten auf neue Besitzer. Im Betrieb werden jetzt seit Wochen alternative Modelle diskutiert, und zwischen Betriebsgewerkschaftsleitung und Vorstand gibt es eine ungewöhnliche Interessengemeinschaft. »Wir haben den festen Willen«, sagt Maly, »die Aktien in Arbeitnehmerhand zu übernehmen.« Es bestünden gute Chancen für dieses Modell, hofft er, die Treuhand wäre informiert und hätte sich »bisher nicht ablehnend geäußert«.

Gute Marktchancen im geeinten Deutschland verspricht sich Maly auch durch den Aufbau neuer Unternehmenszweige. Vergangene Woche wurde ein Joint-venture mit der Osnabrücker Dienstleistungsgruppe Piepenbrock unterschrieben. Rewatex will mit Piepenbrocks einschlägiger Erfahrung in den großen Komplex Gebäudereinigung einsteigen. Bis Jahresende werden 150 »RewatexanerInnen« in West-Berlin auf die neue Aufgabe umgeschult, weitere 500 im nächsten Jahr. Diverse Vorverträge mit Hotels und Verwaltungseinrichtungen sind bereits an Land gezogen. »Es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn dieses Geschäft nicht brummt«, sagt Maly, »da braucht man in Berlin doch bloß die Augen aufzumachen.« Ganz im Unterschied zu Hunderten von Ostbetrieben gibt sich Rewatex optimistisch und, wie es scheint, nicht ohne Grund; denn Dreck gibt es auch im Kapitalismus. Anita Kugler