STANDBILD
: "Es wird noch lange dauern"

■ Keine Gnade für die Stasi? Talk im Turm, Sonntag Sat1, um 22 Uhr

War ehrlich gespannt. Heißes Thema. Wollen ja auch alle auspacken. Lange schon. Zu lange. Die Volkskammer zum Beispiel wollte auf jeden Fall. Aber dann: Stasi? Ich? Aber Hasi! war der Tenor dort. Doch nun zur Runde. Ex-Stasi- General Heinz Engelhardt, zeitweilig als Nachfolger von „Ich liebe Euch doch alle“-Mielke vorgesehen, Mattias Büchner, Stasiaufklärer und Künstler aus Erfurt, der einzige Erfrischende im Kreis, und Gunter Kunert und Rainer Eppelmann. Ach ja, mit von der Partie war auch die bayerische Justizministerin Mathilde Berghofer-Weichner.

Wie ein verfehlter running gag wiederholt sie immer wieder: Keine Amnestie. Erst die Bilanz. Ganz zu Anfang hatte ich ja noch Hoffnung, etwa als Herr Böhme sich diskret nach der Akte de Maizière erkundigte. Der Ex-General fand ihr Fehlen auch suspekt. Schließlich habe jeder Jurist eine gehabt. Aber kein Nachhaken. Auch nicht, als Herr Engelhardt darauf hinweist, daß Akten auch „marktwirtschaftlich“ genutzt und „en gros“ verkauft worden sind und auf „erpressbare Personen in hohen Positionen“ anspielt. Und dann wird es zunehmend peinlich und wirr. General entschuldigt sich persönlich bei Eppelmann. Der druckst und will nicht so recht.

Nun soll Frau Berghofer-Weichner was zum frei am Starnberger See herumlaufenden Schalck-Golodkowski sagen. Wo sie doch gegen Amnestie ist. Aber sie will auch nicht. So geht das die ganze Zeit. Keiner will so recht. Außer Herr Büchner. Aber dem schneiden sie immer das Wort ab. Nur auf den General wollen alle. Gib ihm! Besonders der Kirchenmann mit dem Charme einer unterkühlten Sakristei. Nachdem Engelhardt, schwitzend und von Kunert und Heidi Schüller schon fertiggemacht, sich zu der herben Behauptung versteigt, es sei jetzt eine „neue Sippenhaft“ gegen Ex-Stasis am laufen, wird Eppelmann ungehalten. Wieso haben Sie..., und „was ist in Ihrem Herzen vorgegangen“? und „das ist der deutsche Eichmann-Komplex, sich immer auf Befehle zurückzuziehen.“ Nun hat er endlich seine Klatscher.

Bei dem Tempo, das die Runde vorlegt, werden wir voraussichtlich im Jahre 2091 eine erste vorläufige Zwischenbilanz in der Stasifrage ziehen können. Schlimmer jedoch: Kein Wort über die Beweggründe westdeutscher Politiker, noch schnell vor der Einheit eine Amnestie für Stasis durchzuziehen. Erst ganz zum Schluß der Sendung die Frage an den Zuschauer, was denn nun an üblen Kübeln auf die westdeutschen Politiker zukommt. Immerhin seien doch zwei Millionen Bundesbürger bespitzelt worden. Kein Wort auch darüber, daß in Zukunft die Überwachung und Verwaltung der Akten ausgerechnet die versehen sollen, denen man jene Tätigkeit schon in der Vergangenheit zuzuordnen hatte: fast 1.000 Mitarbeiter des stasidurchseuchten Ex-DDR- Innenministeriums. „Es wird lange dauern“, sagt Erich Böhme zum Schluß. Recht hat er. Und das wissen wir nur zu gut. Philippe André