Asphalt-Odyssee

■ Uwe Schraders „Sierra Leone“, ARD, um 23.00 Uhr

Eigentlich hasse ich ja Roadmovies. Die haben immer diesen prätentiösen Touch vom „wahren Leben“, das seine Authentizität bewahrt, weil nicht darüber gesprochen wird. Hinter dem romantischen Motiv des Reisefiebers steckt oftmals die verquaste Utopie der Sprachlosigkeit: kleine Fluchten...

Interessant wird es, wenn die Asphalt-Odyssee nicht diesen spießigen Heimathafen ansteuert, der das heißt: „Der Weg ist das Ziel“ — sondern Stationen der Demontage eines gescheiterten Subjekts festhält. Einen sympathischen Looser nimmt Uwe Schrader in seinem zweiten Spielfilm Sierra Leone von 1988 aufs Korn. Fred (Christian Redl) ist eigentlich ein handfester Typ, ein Metaller. Nicht tumb, aber auch nicht gerade von der Durchblickerfraktion. Er kommt aus dem Pot und hat einige Jahre in West-Afrika auf Montage gearbeitet. Bei seiner Frau Rita (Constanze Engelbrecht), mit der es nie gut lief, hat er sich kein einziges Mal gemeldet und glaubt jetzt, bei seiner Rückkehr mit diesem Bündel Scheine, das er im Einwickelpapier auf den Tresen legt, den Breiten machen zu können.

Schrader arbeitet nicht nach der Hollywood-Methode, wo uns jede Stimmung durch Schuß/Gegenschuß, Großaufnahme und effektvolle Fahrten häppchenweise serviert wird. Das Szenario wirk karg und spröde. Klaus Müller-Laues Handkamera ist sachlich, fast dokumentarisch präsent. Die erfrischende Nüchternheit, daß Schrader gar nicht erst versucht irgendwelche Gegenstände oder Räume „effektvoll“ zu präsentieren, wie das in Roadmovies zu obligaten Ry-Cooder- Klängen so üblich ist, erzeugt zunächst Beklemmung. Wenn in den Stehbierhallen und Automatenrestaurants das mechanisch tötende Plärrern der „Merkur“-Spielautomaten die Dialoge anfrißt, so ist dies kein „filmisches Motiv“, keine arrangierte Kulisse, sondern ungeschminkte Realität.

Sie gibt ihm also den Laufpaß, und er steckt das weg, scheinbar. Fred hat eine Menge Geld in der Tasche und muß sich erst einmal an der Illusion abarbeiten, es zu etwas gebracht zu haben. Das Wiedersehen mit den Kumpels vom Walzwerk ist zwar gewohnt herzlich, doch irgendwie reagiert Fred sensibler auf die alten Mißklänge. Vera (Rita Russek) ist nach wie vor in ihn verliebt, distanziert sich jedoch nach einem hefigen Wiedersehensquicki. Fred spürt, daß da einige Züge ohne ihn abgefahren sind, bekommt die Dinge aber nicht auf die Reihe. Das tut weh. Doch Fred ist nicht der Typ, der die Sinnkrise zelebriert, diesen Ritus unerkannter Normalität. Lieber haut er im Klo einer Disko dem GI auf die Glocke, der jetzt mit seiner Ex-Frau zusammen ist.

Alma (Ann Gisel Glass), griechisches Zimmermädchen und Animierdame aus der schäbigen Klitsche, in der Fred logiert, setzt auf ihn. Obwohl sie noch jung ist, hat sie schon viel mitgemacht, hat ein Kind im Heim und einen Alten im Knast. Sie hat sich eine ruhige, kreative Naivität bewahrt und sieht noch Freiräume. Sie gibt Fred hier und da mal Bescheid, nörgelt aber nicht an ihm herum, lebt ungezwungen in den Tag. Das gibt Fred den Rest. Ohne mentales Nudelholz kein (Liebes-)Glück. Fred läßt die Scheine liegen und... Manfred Riepe