Klub der Legenden

■ Die neue Tragik von Manchester United: Rückkehr in den Europapokal, doch die Krise im Spiel

Der englische Fußball ist wieder wer. Schließlich hat man den Weltmeistertitel nur mit unglaublichen Pech in der Halbfinalsverlängerung gegen Deutschland verpaßt. Finden die Engländer. So steigen die Zuschauerzahlen und die Rückkehr in den Europapokal erschließt langersehnte neue Einnahme- und Ruhmesquellen. Da traf es sich gut, daß der nach wie vor populärste Protagonist des englischen Fußballs, Manchester United, nach einer katastrophalen letzten Runde zufällig den englischen Cup holte und sich anschickte, an die mythisch-umschwadete, gloriöse Zeit vergangener Europapokaltage anzuknüpfen.

Zwei Ereignisse, eng miteinander verwoben, begründeten den Mythos. Zum einen, die Tragik von Manchester United: der Absturz der aus Belgrad vom Europapokalspiel kommende Maschine im Februar 1958, den acht Spieler nicht überlebten. Zu einem der Zeitpunkt, als Manchester drauf und dran schien, dem europaweit unbesiegbare Real Madrid Paroli zu bieten. Zum anderen die Tatsche, daß sich zwei, die überlebten, nämlich Manager Matt Busty und Uniteds Größter, Bobby Charlton, genau zehn Jahre später in Wembley, als der Europapokal gegen Benfica Lissabon in der Verlängerung doch noch gewonnen war, in den Armen lagen. Weinend vor Freude. Der Schwur war vollbracht, daß am Boden zerstörte United wieder nach oben zu bringen.

Auch heute noch stehen die Legenden, Busty als Sir und Präsident und Charlton als Direktor, dem Klub zumindest nominell vor. Zum Saisonbeginn wurden große Worte geschwungen, worauf die Red Devil-Supporters wie immer reinfielen. Der Stadiongröße entsprechen wollten 46.760 Fans das letzte Heimspiel gegen das ebenfalls vom Ruhm vergangener Tage zehrende Nottingham Forest sehen.

Heiße Tage für die Couts, die Schwarzhändler, die bündelweise Sitzplätze für 15 Pfund anbieten, die eigentlich nur die Hälfte kosten. Doch wer forsch einen Nachlaß fordert, kriegt nur ein höhnisches „It's sold out, man“ zu hören.

Doch auch andere müssen für Manchester abdrücken: In den letzten drei Jahren hat Manager „Fergie“ Ferguson 14 Mio. D-Mark für seine Fußballer ausgegeben. Denn 1988 war United hinter dem verhaßten FC Liverpool, und das war natürlich unerträglich. Also kamen große Namen, darunter Publikumsliebling Mark Hughes und für sieben Mio. D-Mark der Innenverteidiger Gary Pallester.

Doch auf dem Platz will es einfach nicht klappen. Naheliegender Grund: Das zur Reliquie hochstilisierte rote Trikot ist's, was die Jungs hemmt. Psychologisch gesehen. In Warheit: Die millionenschweren Kräfte können einfach nicht Fußball spielen. Eleganter: Das Spiel wird zu schnell geführt für die begrenzten Möglichkeiten der Akteure. Da wird keine Sekunde für unnütze Dinge wie Spielaufbau verwenden — vor mit dem Ball, dann sieht man weiter.

Notthingham, auch nicht gerade begnadet, hatte am Samstag jedenfalls wenig Mühe, mit 1:0 zu gewinnen. Und wer eine Sekunde wegsah, der kriegt die Schmach gar nicht mit, weil ein Gegentor lautlos hingenommen wird. Im Schock vergißt gar Stadionsprecher, vom Ereignis Notiz zu nehmen. Eine Heimniederlage also, für Unidet kein Grund zum Verzagen, die zwei Millionen Pfund, die fällig würden, sollte man den Europokal gewinnen, sind im Etat fest eingeplant. Schon sind die Ungarn ausgeschaltet und Wrexham kann auch geschlagen werden.

Einzig die Buchmacher teilen Uniteds Optimismus nicht, zumindest was die englische Meisterschaft angeht. Die interessieren sich für Geld, nicht für Gefühle und setzten auf Liverpoool. Mit dem genialen englischen Fußballer John Barnes gesegnet, gewann Liverpool am Samstag gegen Derby County sein achtes Spiel in Folge. Für Manchester bleibt da wohl auch heuer nur der wehmütige Blick zum Bobby Charlton und ein paar große Worte zu vergangenen Zeiten.

Das ist die neue, die wahre Tragik von Manchester United. Peter Unfried (Manchester)