Na, wie sind wir?

■ Österreichs Wahlergebnis ist ein Votum gegen rechts KOMMENTARE

Soeben ärgerte mich in einem WDR-Gespräch mein deutscher Widerpart mit der Behauptung: In Österreich habe es einen Ruck nach rechts gegeben, ins Neonazistische gar. Unsinn. Es war auch das Gegenteil der Fall: Der Sieger in der Wahlnacht des Sonntag hieß nicht Jörg Haider, Chef der FPÖ, sondern Franz Vranitzky, Chef der SPÖ oder was davon noch übrig ist.

Und Vranitzky wurde Sieger exakt deshalb, weil ihn alle jene wählten, die den voraussehbaren Aufstieg der FPÖ — sie kriegte jetzt schon fast doppelt soviel Mandate als bisher — verhindern wollen. Über Parteigrenzen springend, wählten bisherige Anhänger der christdemokratischen ÖVP den roten Bundeskanzler. Desgleichen Grüne, die in der größeren SPÖ einen besseren Bremsblock gegen Haider sahen als in der kleinen Grünen Partei.

Vranitzky sagte im Wahlkampf nichts Klares, außer: „Nieder mit der Haider-Partei!“ — Riegler, Chef der abgestürzten ÖVP, redete herum, es klang, als ob er sich statt weiterhin mit der SPÖ nun vielleicht mit Haider paaren möchte.

Das war, wie Grün-Star Johannes Voggenhuber sagte, „Selbstmord auf offener Bühne“. Wer die VP-FP-Koalition wollte, wählte nicht die ÖVP als Umweg dorthin, sondern gleich Haider. Und wer die Koalition mit Haider nicht wollte, wählte sicherheitshalber Vranitzky.

So fuhr der rote Parteichef einen Sieg in die Scheuer, der Haiders Stern erblassen machte — man sah's auf seinem Gesicht im Fernsehen. Vranitzky ist ein Profi. Er wird die kaputte ÖVP als Minipartner an die Brust nehmen, und Haider in der Opposition verhungern lassen.

Freilich ist Haider in vier Jahren wieder da, wenn sich die beiden großen Museumsparteien nicht rechtzeitig renovieren.

Mit diesem Wahlergebnis kann sich Österreich sehen lassen in der Welt. Es ist ja nicht nur für uns hier erfreulich, daß es außer einem Rechtsruck auch Widerstand dagegen gab, und zwar so erfolgreich, daß der prognostizierte Wahlausgang sich ins Gegenteil verkehrte.

So hat — auch wenn es komisch klingt — dieser Wahlsonntag für Österreich auch eine antifaschistische Falte in seinem vieldeutigen Gesicht sichtbar gemacht.

Auch in Sachen Deutschland und EG war's kein rein innenpolitischer Wahltag. Der Erfolg der EG- mißtrauischen SPÖ und der Mißerfolg der EG-euphorischen ÖVP enthalten auch ein Votum gegen die EG und gegen das neue Großdeutschland, das diese EG dominiert.

Kürzlich erfragten Meinungsforscher eine 90-prozentige Mehrheit für die Neutralität Österreichs. Das heißt: Wir wollen uns nicht schlucken lassen. Na, wie sind wir? Günter Nenning

Der Autor ist einer der profiliertesten unabhängigen Journalisten

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