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Straßenbahn und Einzelhändler verkracht

■ Karstadt-Chef: BSAG fehlt Fingerspitzengefühl / BSAG: Zynisch und dumm

Seit vergangenem Samstag ist der Park&Ride-Verkehr von der Bürgerweide in die Innenstadt eingestellt.

Der Grund: Wegen des bevorstehenden Freimarktes und einiger Bausstellen in dem Bereich kann die Straßenbahn den Service nicht mehr aufrecht erhalten. Sehr zum Mißfallen der Bremer Innenstadteinzelhändler. In einem Schreiben an die Straßenbahn AG hat der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bremen- Werbung, der Karstadt-Chef Hans-Hinrich Blumenberg, massive Vorwürfe gegen die Bremer Straßenbahn AG erhoben.

„Wir vermissen an dieser Stelle Ihr unmißverständliches Interesse, diese innenstadtfreundliche Maßnahme in jedem Falle aufrechtzuerhalten und hätten erwartet, daß sie mit unserer Organisation gemeinsam nach neuen Wegen gesucht hätten“, heißt es da. Auf Nachfrage erklärte Blumenberg, die Straßenbahnh habe überhaupt kein Interesse gezeigt, den Park&Ride- Verkehr aufrecht zu erhalten. Dieser Service wird zu einem Gutteil von den Einzelhändlern finanziert.

Mehr als eine halbe Million Mark kostete sie diese Einrichtung im vergangenen Jahr. Und Jahr für Jahr kassiert die BSAG laut Blumenberg fünf bis sechs Prozent mehr. Blumenberg: „Wir verlangen, daß wir genauso behandelt werden, wie die Einzelkunden.“ Die müssen nach wie vor die selben Tarife zahlen, und zwar so lange, bis die BSAG mit eindeutigen Angebotsverbesserungen aufwarten kann.

BSAG-Sprecher Pietsch will den Schwarzen Peter für den vorläufigen Stopp des P&R nicht bei der Bahn belassen. Er habe sich „wahnsinnig“ über die Einstellung des P&R geärgert, aber der Innensenator habe der BSAG kein Ersatzgelände zur Verfügung gestellt.

Doch auch der Innensenator gibt sich ratlos. Sein Sprecher Hermann Kleehn: „Man hat keinen anderen Platz gefunden.“ Seine Hoffnung: Im Dezember solle der P&R wieder aufgenommen werden.

Doch der P§R-Verkehr ist nicht das einzige, was Blumenberg an der BSAG mißfällt. In Übereinstimmung mit der Handelskammer rüffelt er heftig die jüngste Werbekampagne der Bahn. Die hatte eine Karikatur von Marie Marcks veröffentlicht, auf der Menschen mit Gasmasken an qualmenden Autos vorbeihasten und der Stadtmusikanten- Hahn spricht: „Kikeriki — Irgendwie habe ich mir Bremen schöner vorgestellt.“ Im Text hieß es dann: „Wir tun etwas, daß das Fahren mit Bahn und Bus attraktiver macht.“

Dem Unternehmensvorstand fehle es an Fingerspitzengefühl, rüffelt Blumenberg. Und: „Wie könnte anderenfalls vorkommen, daß Sie in einer Zeit der höchsten Gefährdung des Staates Israel, wo Gasmasken als letzte lebensrettende Maßnahme ausgegeben werden, Sie als reinen Werbegag solche Masken in Ihre Anzeigen integrieren.“ Blumenberg vermißt an der anzeige nicht weniger als Gestaltung, Ästhetik, Ethik, Art und Inhalt,und kritisiert die Diskriminierung eines Wirtschaftszweiges, und die Darstellung falscher Sachverhalte. Falls die BSAG die Kampagene nicht sofort einstelle, will Blumenberg den Deutschen Werberat anrufen.

Und auch die Handelskammer gab sich „entsetzt“ ob der Anzeige und kritisierte einen Generalangriff auf das Auto.

Für BSAG-Marketingmann Pietsch ist diese Kritik nicht nachvollziehbar. Zum Vergleich mit der Situation im Nahen Osten meinte Pietsch: „Wir stehen zu unserer Anzeigenkampagne. Einen solchen Vergleich heranzuziehen, halte ich für zynisch und dummes Zeug.“ Und die Verkehrsituation, wie sie die Karikatur zeichne, sei jetzt schon in einigen Städten Realtität. Pietsch: „Da kann man sich nur noch mit Gasmasken auf die Straße trauen.“

Holger Bruns-Kösters

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