CSU-Parole: „Zieht euch warm an“

CSU kämpft im „Schicksalsjahr“ gegen Abstieg zur Provinzpartei/ Nach neuem Wahlgesetze kaum Chancen für DSU-Schwester/ Interner Flirt mit „Grenzübertritt“ der CSU/ Streibel als Animateur für lasche Basis  ■ von Luitgard Koch

Nervös blickt der CSU-Pressesprecher über den Marktplatz von Jena. „Die wer'n ja hoffentlich ned stör'n woll'n“, sorgt er sich um den Auftritt seines Chefs Theo Waigel. Was ihn so verunsichert sind die rot-weißen Infostände der Ost-CDU vor dem Kaufhaus „Konsument“. Doch seine Angst ist umsonst. Gestört wird nicht. Ohne Zwischenfälle können der eher farblose CSU-Parteivorsitzende Waigel und der adlige DSU- Spitzenkandidat, Prinz Eduard von Sachsen-Anhalt, ihre Reden absolvieren. Auf einem Podium, vor dem nicht gedrängelt wird. Die „Vernichtungsstrategie“ der CDU gegen die DSU, von der CSU-Generalsekretär Erwin Huber wenige Tage zuvor in München sprach, wirkt hier ziemlich harmlos. Daß die CSU jedoch auch bei den kommenden Landtagswahlen in den fünf neuen Bundesländern mit ihrer Schwesterpartei kaum viel Freude haben wird ist klar. Bei den vergangenen Kommunalwahlen erreichte die DSU nur 3,6 Prozent. Allein in Sachsen und Thüringen besteht Aussicht, daß sie in den Landtag kommen. Für die Bundestagswahlen im Dezember also keine rosigen Aussichten. Das inzwischen revidierte Wahlgesetz nimmt der DSU die Möglichkeit, mit der CSU eine Listenverbindung einzugehen. Daß die CDU, wie von ihnen angekündigt, drei Wahlkreise überlassen würde, scheint im Moment sehr ungewiß. CDU-Generalsekretär, Volker Rühe, will sich an derartige Absprachen nämlich kaum mehr erinnern. Allein die taktische Hoffnung, auch die CDU müsse daran interessiert sein, daß in der ehemaligen DDR eine rechtskonservative Partei angeboten wird, hält die CSU-Oberen einigermaßen bei Laune. Ohne Kohl seien die „Blockflöten“ der Ost-CDU keine Attraktion mehr für die Wähler. Nach der Kohl-Ära würde somit ein Vakuum entstehen, das sich kleine radikale Parteien von rechts und links zunutze machen könnten.

Alte Begehrlichkeit: CSU-Grenzüberschreitung

Aber auch die innerparteilichen Querelen ihres Ziehkinds machen den CSUlern zu schaffen. Freilich wird jetzt behauptet, daß sich die Partei nach dem spektakulären Austritt des ehemaligen DDR-Innenministers, Peter Diestel, sowie Pfarrer Wilhelm Ebeling, wieder konsoldiert hätte, doch intern hat sich die Lage noch nicht so beruhigt. „Es war ein Fehler, die CSU hier nicht zuzulassen“, beharrt ein DSU- Wahlkämpfer. Unter Strauß, so glaubt er, „wär' das nicht passiert“. Die Idee, als CSU bundesweit oder zumindest in der ehemaligen DDR anzutreten, geistert inoffiziell immer noch in den CSU-Köpfen herum, obwohl sie sich offiziell von diesem Unterfangen verabschiedet haben. Auch der Thüringer Mathematikprofessor, Hansjoachim Walter (der gegen den Willen der CSU zum DSU- Vorsitzenden gewählt wurde) ärgerte die Schwarzen noch kurz vor seiner Wahl immer wieder mit diesem Vorschlag. Zu den CSU-Köpfen, die mit bundesweiten Ausdehnungen liebäugeln, gehören unter anderem der bayerischen Innenminister, Edmund Stoiber, und sein karrieresüchtiges Stehaufmännchen, Innenstaatssekretär Peter Gauweiler. Nur mit Zähneknirschen akzeptierte die CSU-Basis beim Parteitag im Sommer, sich auf Bayern zu beschränken. „Ich empfehl jedem sich warm anzuziehen“, warnt dagegen Theo Waigel nach seinem Wahlauftritt. Von einer nochmaligen Diskussion über dieses Thema will der Schwabe nichts wissen. „Der Kamerad muß erst noch aufsteh'n“, droht er und zieht seine buschigen Augenbrauen zusammen. Freilich kommt diese Einsicht nicht von ungefähr. Kohl ist im Moment als „Wiedervereinigungskanzler“ unschlagbar. Außerdem hat der schwarze Riese aus der Pfalz die bayerischen Schwarzen ganz klar wissen lassen, daß er dann in Bayern einmarschiert.

Bayerischer Patriotismus contra Preußentum

Nach wie vor kämpft die CSU also mit dem Rücken zur Wand. „Das mit den beiden gleichzeitigen Wahlterminen ist doch kein Zufall“, vermutet CSU-Chef Waigel ein Komplott. Denn nicht nur in den fünf neuen Bundesländern wird am Sonntag gewählt sondern auch im Freistaat. Bereits bei den Kommunalwahlen im März wählte Bayern gleichzeitig mit den ehemaligen DDR-Bürgern. Die CSU mußte dabei gewaltige Einbußen hinnehmen. Selbst Hochburgen, wie das erzkonservative niederbayerische Passau, sind seitdem in SPD- Hand. Doch nach dem Motto „Mehr Glück als Verstand“ schwimmt die CSU in ihrem Stammland wie das Fettauge in der Suppe nach dem Niedergang der Republikaner wieder oben. Geholfen hat ihr neben dem Aus für den Unruheherd WAA auch, daß sie ihre Diadochenkämpfe nach dem Strauß-Tod hinter geschlossenen Türen ausfochten. Freilich gibt man sich nach außen hin vorsichtiger. Selbst die magische Formel „50 plus x“, von Generalsekretär Huber ausgegeben, wollte CSU-Ministerpräsident Max Streibl einfach nicht über die Lippen. Die Wahlkampfstimmung fehlt, jammert die CSU. Insgesamt seien die CSU- Wähler „zu behäbig“, versucht Huber mit Beschimpfungen im letzten Moment die Basis an die Urnen zu bringen. Die Angstmache „Deutschland kommt, macht Bayern stark“ reicht dazu scheinbar noch nicht aus. Vom Apell an den bayerischen Patriotismus und die Abneigung gegen zentralistisches Preußentum erhoffte sich die CSU mehr. Zur Verstärkung wünscht sich Streibl schlechtes Wetter am Wahltag, um eine hohe Wahlbeteiligung zu erhalten.

Die bayerischen Bauern und die dicken Daimlers

Unruhe herrscht vor allem bei den bayerischen Bauern. „Ihr habt die Bauern vergessen, wir vergessen die Wahl“, drohten sie bei einem Wahlauftritt Kohls in der oberbayerischen Rep-Hochburg Rosenheim. Verunsichert sind die bayerischen Bauern hauptsächlich über die Entwicklung in der DDR und die damit verbundenen Preiseinbrüche auf dem Fleischmarkt. Vor allem Streibl hat sich bei den Bauern unbeliebt gemacht. Bei seinem Auftritt beim niederbayerischen Gäubodenfest in Straubing erwähnte er die Bauern in seiner Rede mit keinem Wort. Von der dortigen Kreisbäuerin, Ida Krinner, auf sein Versäumnis angesprochen, soll er ihr geantwortet haben: „Was soll i zu deane denn no sog'n, die fahrn sowieso die dicksten Mercedes'.“ Nach Intervention der bayerischen Staatskanzlei ist sich die Bäuerin nun jedoch nicht mehr sicher, ob sie den Oberammergauer Laienschauspieler Streibl richtig verstanden hat. Um diesen Ausrutscher sicherheitshalber wieder auszubügeln, ruft der bayerische BBV-Präsident Gustav Sühler in Zeitungsanzeigen zur Wahl von Streibl auf. Insgesamt können die Schwarzen jedoch damit rechnen, daß sie nicht so sehr hinter dem letzten Wahlergebnis von 55,8 Prozent vor vier Jahren zurückfallen. Die absolute Mehrheit macht ihnen in Bayern niemand streitig. Schon garnicht eine angeschlagene SPD, die damals mit 27,5 Prozent ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis einfuhr. Ob die grüne Opposition, die nach dem SPD-Zick-Zack-Kurs in Sachen Müll-Volksbegehren gute Karten hatte, wieder mit 15 Abgeordneten ins Maximillianeum einziehen kann, ist auch nach den Schlagzeilen in Sachen Finanzdebakel, keine Frage.