Momper live at the Octoberfest

■ Berlins Regierender besuchte den Phoenix-Club in Anaheim bei Haxn, Kraut und Medium-Terzett

When I look on the green uniforms of the Schützen here, I might think I'm in a city like Minden or like Bielefeld, where the Schützenvereine play a strong role. (Walter Momper am 6. Oktober, dem German-American- Day '90 in Anaheim, California).

Los Angeles/Berlin (taz) — Mit einem Tusch des Blasorchesters marschiert der ideelle deutsche Gesamtbürgermeister Walter Momper in den bierfeuchten Festsaal ein, vorbei an den Wappen Schlesiens, Pommerns, Ostpreußens und der neuen und alten Bundesländer. Momper hält an vorm Brandenburger Tor, dem Bühnenbild, das ihm heimatliche Gefühle verschafft.

Nein, es ist keine Vertriebenenveranstaltung, auf der der regierende Bürgermeister Berlins hier auftritt. Eingeführt wird er in breitem Amerikanisch — im „Phoenix-Club“, Anaheim, California, dem größten deutschen Verein außerhalb des wiedervereinigten Mutterlandes. Es ist „Octoberfest“. Mehr als 4.000 deutschstämmige Amerikaner treffen sich regelmäßig im „Phoenix- Club“ zur Traditionspflege, bei Becks, Bitburger, Haxn, Kraut und Currywurst. Und zur geistigen und körperlichen Ertüchtigung beim Schießen, Fußball, Kegeln und Singen. Von tiefer deutscher Verwurzelung zeugen Dirndl, Lederhose und Lufthansa-Poster, die die schönsten Seiten der Heimat zeigen. Die Jubelflagge „Germany World Champion Italia '90“ versteht sich von selbst. Unter einem Bundesadler stattet Momper den Dank ab an die Lieblingsschutzmacht — „für das ganze deutsche Volk“. Das Johlen enthemmt ihn: „Das freie Berlin konnte nur gehalten werden gegen den Ansturm der Sowjetunion, gegen die kommunistische Herausforderung, weil die Amerikaner zu uns gestanden haben.“

Momper ist als Bundesratspräsident zum „German-American-Day“ hier. Er besuchte auch die Regierungszentrale in Washington und Berlins Partnerstadt Los Angeles, in deren Einzugsbereich der „Phoenix- Club“ liegt. Momper: „Wir wollen unsere gemeinsamen Werte gemeinsam entwickeln. Die tüchtige, freundliche und erfolgreiche Partnerschaft mit ihrem Großraum.“

Über den neuen Großraum Großdeutschland haben die deutschstämmigen Oktoberfestbesucher ganz eigene Vorstellungen. „Das Zukunftsland ist jetzt Deutschland“, meint ein 66 Jahre alter Frankfurter, der 1953 ausgewandert ist, „Bundespräsident Kohl ist der richtige Mann da.“ Die Sache mit der polnischen Westgrenze sei noch lange nicht ausgestanden, so ein Ex-Berliner — und er ist nicht der einzige. „Da sind noch viele, die angeschlossen werden möchten. Man sollte das dem Volk überlassen und nicht den Politikern.“ Diesmal sollen die Juden, „die nie Ruhe geben“, den Deutschen nicht das Spiel verderben, meint ein Kaiserslauterner. Die jungen Leute sind moderater, sie überlegen, ob sie jetzt, wo Deutschland die „Nummer eins in der Welt“ wird, nicht zurückgehen sollen.

Einen Tag zuvor war Momper ganz anderem begegnet. Die Honoratioren L.A.s fragten vorm „World-Affairs-Council“ nach den deutschen Giftgasexporten in den Nahen Osten, nach Neonazismus und der Lage der Juden in Berlin. Radiojournalisten wollten wissen, wie es nun den Türken in Berlin ergehen wird. Momper mühte sich um Beschwichtigendes. „Well integrated“ seien die Juden und die Türken. Und die Giftgasexporte seien das Werk von „Kriminellen, die gegen die Gesetze gehandelt haben“. Hans-Hermann Kotte