Bonbons für DDR-RentnerInnen

■ Renten in den neuen Bundesländern sollen stärker steigen/ Arbeitsminister Blüm spricht von 10 zehn Prozent, hält aber mit Terminen hinterm Berg/ SPD fordert Rentenanpassung zum 1.12.90

Berlin/Bonn (taz) — Die Renten in den neuen Bundesländern müssen schneller steigen als in der BRD — soweit sind sich Regierung und Opposition in Bonn einig. Um mindestens 10 Prozent will Arbeitsminister Blüm die monatlichen Bezüge der 2,7 Millionen Rentner in der ehemaligen DDR anheben, das wäre rund doppelt so viel wie der prozentuale Anstieg der 14 Millionen Renten in den alten Bundesländern.

Über den Zeitpunkt der Rentenerhöhung wird seit gestern spekuliert. „Die rapide Lohnentwicklung in der ehemahligen DDR gibt Anlaß dafür, daß die Renten noch vor dem 1. Juli 1991 angepaßt werden“, sagte der Pressesprecher des Arbeitsministeriums Fischer dazu. Auf einen genauen Termin wolle sich Blüm nicht festlegen, zumindest nicht vor den Landtagswahlen am kommenden Wochenende. „Es muß noch genauer berechnet werden, um wieviel das Lohnniveau überhaupt gestiegen ist, bevor wir festlegen, wieviel die Renten steigen müssen“, erklärte Fischer. Um das Rententhema aus dem Wahlkampf herauszuhalten, habe das Arbeitsministerium wiederholt dementiert, daß in einem Gespräch zwischen Bundesfinanzminister Waigel und Blüm die Grundsatzentscheidung über die Erhöhung der Ost-Renten schon gefallen sei. Klar sei, daß der Abstand zwischen den Renten in den alten und den neuen Bundesländern zu hoch sei und verringert werden müsse, erklärte Ministeriumssprecher Fischer.

Im Gegensatz dazu sieht Finanzminister Waigel „keinen politischen Entscheidungsbedarf“ für eine vorzeitige und überdurchschnittliche Erhöhung der Renten in den neuen Bundesländern. Waigel zufolge werde „Systematik und Automatik“ des dynamischen Rentensystems auch für die Ex-DDR gelten. Eine Sonderregelung für die neuen Bundesländer sei nicht notwendig. Auf Drängen von Bundeskanzler Kohl soll es aber in nächster Zeit zu Gesprächen zwischen Waigel und Blüm darüber kommen. Die Bonner SPD fordert die Erhöhung der Ex-DDR- Renten zum 1. Dezember 1990 um mindestens zehn Prozent. Die Mindestrente würde damit statt 495 Mark künftig 545 Mark betragen. Eine entsprechende Gesetzesvorlage brachte die SPD gestern in den Bundestag ein. Mindestrente und Sozialzuschläge sollen der Netto-Lohnentwicklung angepaßt werden. Die Rentenerhöhung solle nicht für „Stasi-Renten“ gelten, so SPD- Fraktionssprecher Binder, dagegen aber auch für Kriegsopfer-Renten. Die SPD will so verhindern, daß viele RentnerInnen unter die Armutsgrenze sinken. Zusätzliche Kosten entstünden nicht, da die Lohnentwicklung in der Ex-DDR für ein erhöhtes Beitragsvolumen in der Rentenkasse sorgt. Mit 25 Millionen Mark könne man die Kriegsopfer- Renten finanzieren. km