Späth will Asylrecht aushebeln

Initiative zur Grundgesetzänderung: Flüchtlinge aus Staaten mit geringer Anerkennungsquote sollen gleich an der Grenze zurückgewiesen werden können/ Übereinstimmung mit Lafontaine  ■ Aus Stuttgart Erwin Single

Baden-Württemberg will bei der Grundgesetzänderung zur Neuregelung des Asylrechts nicht locker lassen. Nachdem vor wenigen Tagen die Städte und Gemeinden im Land wegen den immer massiver werdenden Unterbringungsproblemen von Asylbewerbern und Aussiedlern Alarm geschlagen und eine Einschränkung der Zuzugsmöglichkeiten verlangt haben, legte die Landesregierung gestern einen Gesetzentwurf zur Grundgesetzänderung vor, der bereits am Freitag in den Bundesrat eingebracht werden soll. Kern der Initiative ist eine Ergänzung des Grundrechtsartikels 16 auf Asyl, nach der es künftig möglich sein soll, Asylbewerber aus Staaten, in denen politische Verfolgung nicht oder nur in Einzelfällen stattfindet, bereits an der Grenze zurückzuweisen. Ein Bundesgesetz soll regeln, daß die Bundesregierung durch eine Rechtsverordnung — vorbehaltlich des Segens von zwei Drittel der Bundesratsstimmen — die entsprechenden Staaten benennen kann.

Ministerpräsident Lothar Späth schlug als eine praktikable Lösung vor, jene Staaten in die Liste aufzunehmen, deren Anerkennungquote im letzten Jahr oder einem vom Gesetzgeber bestimmten Zeitraum unter 0,8 Prozent lag. Betroffen wären dann beispielsweise Flüchtlinge aus dem Libanon, Vietnam, Ghana, Indien oder Sri Lanka, aber auch Polen, Rumänien und Jugoslawien. Mit einer derartigen Regelung, so der Stuttgarter Innenminister Dietmar Schlee, würden allein 70 Prozent der Asylanträge wegfallen.

In der Zielsetzung des Gesetzentwurfs heißt es, daß sich die Asylproblematik, die im wesentlichen zu einer Zugangsfrage geworden sei, durch Änderungen der Asylverfahren nicht habe lösen lassen. Erforderlich sei daher ein Verfahren, das es ermögliche, Asylbewerber bereits an der Grenze abzuweisen oder ihren Aufenthalt unverzüglich zu beenden. Späth schlug dazu vor, Ausländerbehörden an wichtigen Grenzstellen einzurichten, die an Ort und Stelle die Berechtigung auf ein Asylverfahren prüfen können. Ergänzend dazu sieht der Entwurf die Einrichtung unabhängiger, vom Parlament bestellter Beschwerdeausschüsse vor. Mit einer völkerrechtlichen Öffnungsklausel in Artikel 16 soll zudem die Harmonisierung des Asylrechts in Europa vorangetrieben werden, in dem parallele und sukzessive Verfahren ausgeschlossen werden sollen.

Innenminister Schlee erklärte, die Landesregierung greife damit die Vorschläge auf, die der saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine in die Diskussion geworfen habe, da sei „nichts draufgesattelt“. Im Bundesrat will die Landesregierung nun prüfen, ob für das Saarland verbindlich sei, was dessen Ministerpräsident sage.