Gorleben: Bonn und Hannover rotieren

Hannover (ap/taz) — Zwischen Bonn und der rot-grünen Landesregierung in Hannover hat die erste Kraftprobe um den atomaren Ausstieg begonnen. Ein von Bundesumweltminister Töpfer gestelltes „Ultimatum“, mit dem der Bonner Atomaufseher die sofortige Rücknahme des Baustopps am Endlager in Gorleben verlangt, ließ die Niedersachsen-Regierung gestern verstreichen. Regierungssprecher Heye wies das Ansinnen Töpfers als „Drohgebärde“ zurück. Töpfers Ultimatum sei „in der Sache unzureichend und in der Form dreist“. Seine Einwände gegen den Baustopp würden aber zügig geprüft und beantwortet.

Heye wies zugleich Behauptungen der Endlager-Betreiberfirma zurück, wonach für jeden Tag Baustopp ein Schadensersatz in Höhe von 70.000 Mark fällig werde. Das Land könne nicht verklagt werden, da es sich streng an Recht und Gesetz halte. Das Landeskabinett bekräftigte gestern erneut den bereits in der Koalitionsaussage festgelegten Willen zum Ausstieg aus der Atomenergie. In den Streit mit Bonn war die rot-grüne Landesregierung auf seltsame Art hineingeschlittert. SPD- Landeswirtschaftsminister Fischer hatte mit einem Vorstoß für Furore gesorgt. In einer einsamen Entscheidung hatte er den Atomausstieg aufs Jahr 1992 vertagt und Ende September die weiteren Arbeiten zum Abteufen der Endlagerschächte genehmigt. Dies hatte vergangene Woche zu Wutausbrüchen der Grünen und Kopfschütteln selbst der SPD-Kabinettsmitglieder geführt. Unter Druck geraten, mußte Fischer schließlich den Schwanz einziehen. Als die Grundeigentümer mit dem Berliner Anwalt Rainer Geulen auch noch Widerspruch gegen die neu ausgesprochene Genehmigung einlegten, verkündete Fischer — wie am Samstag gemeldet — einen Baustopp für Schacht II. Die niedersächsische Landesregierung will jetzt an diesem Baustopp festhalten. Falls die Betreiberfirma beim Verwaltungsgericht die Aufhebung des Baustopps beantrage, werde das Land dagegen Beschwerde einlegen.