Rüstungsfirma schnappt Brosamen

■ Die „A. Weidelt GmbH“ in Hemelingen / taz-Rüstungsserie, Teil 9 /

Als der Großvater Alfred Weidelt die Firma 1920 gründete, waren die Produkte ausgesprochen formschön: Schalttafeln aus Marmor, Kurbeln und —hebel aus Messing, alles möglichst symmetrisch angeordnet, im Nach-Jugendsstil-Design. „Manche Geräte haben einen Charme, daß man sie sich ins Wohnzimmer stellen möchte“, sinniert Juniorchef und Enkel Rolf Alfred Weidelt ganz angetan. Er bewahrt in seinem Schreibtisch einen von seinem Großvater zusammengestellten Band mit Fotos aus der Gründerzeit auf. Damals lieferte die Firma „A. Weidelt“ Schaltgeräte für Kräne und Verteilertafeln für Schiffe.

Dekorativen „Charme“ hat die Produktpalette von heute nicht mehr. In der Fabrikhalle und auf dem Fabrikhof regiert das Nato- Oliv, das Nackt-Funktionelle. Bundeswehr-LKW, Bundeswehr-Geländewagen, Bundeswehr-Container. „Anfang der 60er Jahre“, referiert Juniorchef Rolf Alfred Weidelt die Firmengeschichte, „hat mein Vater zufällig einen Mann vom Bundesamt für Wehrtechnik getroffen, und wir konnten die ersten kleinen Dinge liefern. Mein Vater erzählte, damals hätte kaum einer mit Rüstung zu tun haben wollen. Die Norddeutsche Kreditbank hätte ihm sogar den Kredit verweigert.“ Rolf A. Weidelt über den Fortgang der Ereignisse: „Das Unternehmen wuchs mit der Nachfrage der Bundeswehr“.

Heute hat die zivile Fertigung aus Großvaters Zeiten nur noch einen kleinen Anteil. Der Rest des Umsatzes — 85 bis 90 Prozent — ist Rüstung. Auf diese Art und Weise kommt die „A. Weidelt GmbH“ mit ihren knapp 70 Beschäftigten an die kleinen Brosamen der Rüstungs-Großaufträge. Die „Kabinen“ M 49 beispielsweise sind Teil des „Drohnenprojekts“, einer neuen Generation unbemannter Flugkörper nebst Bodenstationen. Der Juniorchef: „Wir sind mit Sicherheit die kleinste Firma, die in dem ganzen System mitwirkt.“ Ein sechs- Millionen-Auftrag. Die „A. Weidelt GmbH“ ist u.a. dafür zuständig, die „Werkstatt-Kabinen“, in denen Bauteile der „Aufklärungsdrohnen“ instandgesetzt werden sollen, „auszurüsten“: von den qualitätsgeprüften Stromkabeln über die Klimaanlage bis zur genormten olivgrünen Bundeswehr-Schublade. Einträchtig neben den „Aufklärungskabinen“ stehen in der Werkshalle tarnfarbene „Geländewagen“ der Marke Mercedes-Benz. 12.000 Stück stellt die Bundeswehr gerade in ihre Depots ein. Das Geld für die Einbausätze, die aus den Jeeps Spezialfahrzeuge machen sollen, ist gestrichen worden. Juniorchef Rolf A. Weidelt: „Die Depots werden bald überquellen.“ Planungssicherheit gebe es nicht mehr bei der Bundeswehr: „Für 1992 ist alles offen“.

Der Juniorchef über die Schwierigkeiten, von militärisch auf zivil umzustellen: „Diese hohen Qualitätsanforderungen der Bundeswehr, dieses langsame Geschäft ist in allen Köpfen drin. Selbst wenn wir uns bemühen, sind wir zu teuer: Wir müssen im Bereich hochwertiger Systeme bleiben.“ Er überlegt, daß sich mit dem „Original-Weidelt- Know-How“ Fahrzeuge in der Entwicklungshilfe, beim Roten Kreuz oder im Umweltschutz ausrüsten ließen.

Konkret geworden sind diese Überlegungen nicht. Weidelt jun. hofft, via Bundeswehr in zivilere Gefilde zu geraten. Beispiel „Spürpanzer Fuchs“. Dieser Panzer ist mit einem „Massenspektrometer“ der Bremer High- Tech-Firma „Bruker-Franzen“ ausgestattet, damit er chemische Kampfstoffe „aufspüren“ kann. „Weidelt“ baut die Spürräder. Panzer „Fuchs“ ist nicht nur in der Golfregion im Einsatz, „Fuchs“ soll in abgespeckter Version auch im heimischen Umweltschutz eingesetzt werden: Um nach Manövern Schäden festzustellen und bei „Katastrophen aller Art“. Rolf A. Weidelt: „Das wäre eine Gelegenheit für uns, über die Bundeswehr an den zivilen Markt geführt zu werden.“ Barbara Debus