Olympia: AL bleibt beim entschiedenen Jein

■ Senatorinnen Volkholz und Schreyer begründen Stimmenthaltung/ Sportstaatssekretär Kuhn kritisiert Finanzierung INTERVIEW

Am Dienstag hat die Berliner Landesregierung die offizielle Bewerbung für Olympia 2000 beschlossen. SenatorInnen und StadträtInnen von CDU und SPD stimmten zu, lediglich die AL- Senatorinnen enthielten sich. Erst gestern folgte die öffentliche Begründung: Volkholz und Schreyer wiesen den Vorwurf zurück, sich aus der Verantwortung zu stehlen, und kritisierten den Entschluß als »überhastet«. Nicht nur auf Zustimmung stieß das Abstimmungsverhalten der Senatorinnen in der eigenen Fraktion: Einige hatten sich ein klares Nein gewünscht, was auch Anlaß zu heftigen Diskussionen in der Fraktionssitzung am Dienstag abend gab. Gestern sah sich die Fraktion veranlaßt, noch einmal ihre Position zu Olympia zu vertreten. Michael Haberkorn und Albert Statz kritisierten die unsolide Finanzierungsgrundlage der Bewerbung und den mangelnden Nachweis über die Folgenutzung der Sportstätten. Auf die Frage, ob die AL nun eigentlich für oder gegen Olympische Spiele sei, antwortete Statz mit klarem Jein: »Wir sind grundsätzlich nicht gegen Olympia, aber auch nicht dafür.« Die taz sprach gestern auch mit Sportstaatssekretär Hans-Jürgen Kuhn über seine Kritik am Olympiakonzept.

taz: Was sagen Sie zum gestrigen Beschluß des Senats? Bisher haben Sie sich in der Kommentierung ja sehr zurückgehalten.

Kuhn: Ich halte den Beschluß für falsch — für falsch zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Ein Projekt, daß die Stadt so gravierend betrifft, hätte erst vom neu zu wählenden Berliner Gesamtparlament beschlossen werden sollen. Ich halte aber auch das vorliegende Konzept nicht für entscheidungsreif. Wesentliche Fragen sind gar nicht oder nur unzureichend bearbeitet worden.

Aber daß das unter enormem Zeitdruck entschieden wird, war auch der AL klar.

Zunächst waren ja die Alternativen Jahr 2000 oder 2004 in der Diskussion. Mit der Fixierung auf 2000 wurde das Tempo natürlich deutlich erhöht. Aber gerade deshalb muß vor dem Startschuß eine Planung vorgelegt werden, die hinreichend prüft, ob der Termin überhaupt zu schaffen ist. Das jetzige Projekt enthält einige Bauvorhaben, bei denen die Realisierung in den verbleibenden neun Jahren sehr fragwürdig ist — wenn man sich an die in Berlin üblichen Verfahrensweisen hält. Etwa die Wohnungsbebauung am Westhafen und auf der Rummelsburger Halbinsel. Wenn man allerdings nach der Entscheidung 1993 mit Sondergesetzen operieren will — schnell, ohne die Bürger und Landschaftsgutachten —, dann ist das sicher zu schaffen. Aber das unterstützen wir nicht.

Und weitere Kritikpunkte?

Beispielsweise die Nachnutzung von Sportbauten, für die mehr als zweieinhalb Milliarden Mark ausgegeben werden sollen. Hier hatte der Senat beschlossen, daß die spätere Nutzung vorher zumindest grob erkennbar sein muß. In der Studie wird aber nichts dazu gesagt, wie die acht bis neun Großsporthallen mit 6- bis 10.000 Zuschauerplätzen hinterher genutzt werden sollen.

Momper behauptet, es werde einen finanziellen Überschuß geben. Was sagen Sie dazu?

Die Finanzierung ist in dem vorliegenden Konzept absolut unseriös beschrieben. Überschüsse entstehen bei Olympia ja nur, wenn man die Kosten für die dreiwöchige Ausrichtung den Gesamteinnahmen gegenüberstellt. Das gibt zwar auf jeden Fall ein Plus, das in Berlin mit etwa 2,4 Milliarden angesetzt wird. Doch allein die notwendigen Investitionen für die Sportbauten betragen schon 2,6 Milliarden — nicht enthalten sind hier der Bau von Wohnungen und Verkehrsanlagen, die Altlastensanierung und Kapitalkosten. Man muß von einem Defizit von mindestens 1,5 bis 2 Milliarden für den öffentlichen Haushalt ausgehen. Es gibt bisher keine Zusagen aus Bonn, inwieweit diese Kosten mit übernommen werden sollen.

Ist die Idee »anderer Spiele« noch realistisch?

Uns ist inzwischen klargeworden, daß dezentrale und bescheidenere Olympische Spiele unter den gegenwärtigen Bedingungen des IOC nicht realisierbar sind. Die Entscheidung für Atlanta 1996 hat das noch mal verdeutlicht.

Wieso war Ihnen das nicht vorher klar?

Wir haben geglaubt, daß die spezielle Situation Berlins, wo ein Teil der olympischen Botschaft so bedeutsam ist — Friedensstiftung und Grenzüberwindung —, ein moderateres Konzept ermöglichen könnte. Aber dieser Bonus ist längst weg. 1993 wird Berlin eine ganz normale Bewerberstadt sein — das hat sich auch das NOK gesagt und die entsprechenden Sportbauten und kurzen Wege gefordert. kd/Interview: kotte