»Die andere Republik«: Das ganze Volk im Zelt vereint

Tiergarten. Wählen dürfen sie nicht, aber Wahlkampfthema sind sie allemal — am kommenden Sonntag bei den Landtagswahlen in sechs Bundesländern wie auch am 2. Dezember bei den Bundestagswahlen bleiben die ImmigrantInnen und ExilantInnen von der Stimmabgabe ausgeschlossen. Daß fast alle Parteien auf ihre Kosten Stimmen zu fangen versuchen, können sie nicht verhindern. Der »Mißbrauch« des Asylrechts ist rechtzeitig zur Wahlschlacht wieder in aller Munde.

Wen angesichts der Inflation historischer Ereignisse und des neuen Nationalgefühls Übelkeit befällt, der kann diese am kommenden Wochenende im Tempodrom bekämpfen. Die andere Republik lautet das Motto eines zweitägigen Festes »mit multikulturellem Kongreß«, veranstaltet von den Grünen und dem Bündnis 90. Zwischen Musik (unter anderem »Terra Brasilis«), Kabarett (»Knobi- Bonbon«) und Theater debattieren Experten aus Ost und West, und mit oder ohne deutschen Paß, in mehreren Talkshows zu besagten Themen. Fragen nach der Zukunft des Asylrechts oder den Vor- und Nachteilen eines Antirassismusgesetzes sollen diskutiert werden. Eingeladen sind unter anderem Hakki Keskin von der Universität Hamburg, die Ostberliner Ausländerbeauftragte Anetta Kahane, Wolfgang Templin von der Initiative für Frieden und Menschenrechte sowie die grüne Bundestagsabgeordnete Erika Trenz. Von den Debatten versprechen sich die Veranstalter nicht nur Anregungen für die Diskussion um eine neue Verfassung, sondern auch Signale an die frisch vereinigten Deutschen. »Wir sind oder werden auch Deutsche«, erklärte Payo Orellana von der AL. »Nur eben eine andere Art von Deutschen.«

Nach der letzten Talkshow am Sonntag um 17 Uhr wird zur Wahlparty geladen. Ob es etwas zu feiern gibt, bleibt abzuwarten, zumal ein großer Teil der Partygäste ohnehin kein Wahlrecht hat. Für den nötigen Galgenhumor sorgen unter anderem Matthias Beltz (bekannt aus dem »Frankfurter Fronttheater«) und Arnulf Rating von den »Drei Tornados«. anb