Quälend langsame Heimkehr ans Kap

Pretoria läßt 21 politische Gefangene frei/ Keine automatische Amnestie/ Wieder Tote in Natal  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Gestern wurden 15 politische Gefangene, alle Mitglieder des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), von der Gefängnisinsel Robben Island vor Kapstadt freigelassen — nur einen Tag, nachdem ANC-Vizepräsident Nelson Mandela am Dienstag das Inselgefängnis, in dem er selbst von 1964 bis 1982 inhaftiert war, besucht hatte.

Sechs weitere politische Gefange wurden in anderen Teilen Südafrikas am Mittwoch entlassen. Insgesamt konnten damit seit Beginn der Verhandlungen zwischen ANC und Regierung im Mai nur 60 von mehreren hundert politischen Gefangenen frühzeitig die Gefängnisse verlassen.

Mandela hatte die Gefängnisinsel, wo noch 200 politische Gefangene einsitzen, besucht, nachdem er am Montag eine ANC-Delegation zu Krisengesprächen mit Präsident de Klerk und anderen Regierungsvertretern über die jüngsten Gewaltausbrüche geleitet hatte. Nach dem Treffen hatte de Klerk angekündigt, die Regierung wolle den „Prozeß der Verleihung von Straffreiheit“ nun aktivieren. Das soll es den etwa 20.000 exilierten ApartheidgegnerInnen ermöglichen, in Kürze nach Südafrika zurückzukehren. De Klerk zufolge werden laufende Verfahren jedoch nicht tangiert. Straffreiheit würde auch nicht automatisch erteilt werden. Anträge hierzu müßten „über festgelegte Kanäle“ gemacht werden.

Der ANC begrüßte zwar den Beginn der Verleihung von Straffreiheit, betonte aber, politische Strafverfahren müßten abgebrochen und sowohl politische Gefangene als auch ohne Verfahren festgehaltene Häftlinge umgehend freigelassen werden. „All unsere Mitglieder, ob im Gefängnis oder im Exil, sind berechtigt, entweder freigelassen oder in ihr Heimatland zurückgelassen zu werden“, hieß es in einer ANC-Erklärung. „Wir rufen die Regierung dazu auf, in dieser Frage keine sinnlose Zeit und Schikanen anzuwenden.“

Die Organisation leidet in Südafrika unter akutem Personalmangel. Deshalb ist die Rückkehr von Mitgliedern aus dem Exil besonders wichtig. Schon im ersten gemeinsamen Abkommen zwischen ANC und Regierung, Anfang Mai, wurde die Frage der Straffreiheit als besonders wichtig und dringend hervorgehoben. Dennoch hat sich die Rückkehr von Exil-Südafrikanern immer wieder verzögert.

Letzte Woche verteilte das südafrikanische Innenministerium Fragebögen mit dem Titel „Antrag auf Straffreiheit“, die einzeln ausgefüllt werden müssen. Eine der Fragen lautet: „Bitte geben Sie ausreichende Einzelheiten der Tat(en) an, für die Sie Straffreiheit wünschen.“ Das kommt einem schriftlichen Geständnis gleich, das ANC-Mitglieder dem ehemaligen Erzfeind übergeben sollen.

Neue Tote in Natal bei Busangriff

Durban (ap) — Zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden ist in der südafrikanischen Stadt Durban ein Terroranschlag verübt worden. Nach Polizeiangaben vom Mittwoch schossen mehrere Männer am Abend zuvor am Stadtrand von Durban auf einen Omnibus und töteten sechs Schwarze. 27 Businsassen seien verletzt worden. Am Dienstag waren schwarze Jugendliche in Durban mit Messern auf Weiße losgegangen und hatten acht Menschen Stichverletzungen beigebracht.