piwik no script img

Wovon reden Sie, Genosse Hermlin?

■ Über den Anstand von Stasiisten

Berlin (taz) — Nicht ohne Stolz rechnet Stefan Hermlin vor, daß er „1991 sechzig Jahre Mitglied der kommunistischen Bewegung“ sei. Sie verlassen? Kommt nicht in Frage. „Schon Rosa Luxemburg hat gesagt: Geduld ist die Tugend des Revolutionärs“, doziert der Schriftsteller vor kleinem Talkshow-Publikum im Berliner PDS- Haus am Köllnischen Park. Weitgehend unter sich, reden die GenossInnen über ein für Hermlin erledigtes Thema: die Stasi. „Nach außen sind alle gleich, aber die Roten werden wieder ausgegrenzt und Bundeskriminalamt sowie der Verfassungsschutz haben ihre Listen über uns.“ Mit dem haarsträubenden Vergleich von Stasi und Verfassungsschutz stößt der Schriftsteller zunächst kaum auf Widerspruch. Warum kann sich die Partei nicht dazu durchringen, ihre Wurzeln zu kappen und festzustellen, daß die Stasi eine durch und durch üble Institution war? Die Debatte findet auch am Donnerstag nicht statt. Manche wollen sie. Eine Frau will „die Luft reinigen, damit wir wirklich eine linke Partei werden“. Sie fordert von Stefan Hermlin, dem Mitglied des PDS-Ältestenrates, „ein deutliches Wort der Ermutigung sich zu öffnen“. Hermlin stellt sich dumm, versteht zunächst „die Frage nicht“, verschließt die Lippen zu einem schmalen Strich und sagt: „Ich kannte Leute, die Böses getan haben. Es waren meine Feinde, wir waren in zwei verschiedenen Parteien. Niemals würde ich diese Menschen vor meinesgleichen denunzieren.“ Mit anderen Worten: Aufklärung und Debatte ist gleich Denunziation. Das bringt nur jemand fertig, der wie Hermlin die eigene stalinistische Vergangenheit mit „Parteidisziplin“ rechtfertigt. peb

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen