: Neue Leute im Stasi-Archiv
■ Staatssekretär Kroppenstedt stellt klar: Nicht 951 Personen, sondern 951 Stellen aus dem Ex-DDR-Innenministerium für die Stasi-Akten-Behörde / In zwei Wochen Benutzerordnung
Berlin (taz) — Offenbar im Gegensatz zu anderen Einrichtungen der Bundesverwaltung ist die neue Stasi- Akten-Behörde nicht verpflichtet, ihre 951 ostdeutschen Mitarbeiter aus dem früheren DDR-Innenministerium zu rekrutieren. „Die Behörde übernimmt nicht 951 Personen, sondern Leerstellen aus dem Ministerium“, erklärte Staatssekretär Franz Kroppenstedt am Mittwoch im Haushaltsausschuß des Bundestages. Damit ist die Befürchtung, frühere Stasi-Kader könnten sich in den Stasi-Archiven (weiterhin) tummeln, wohl vom Tisch. „Nur in besonderen Einzelfällen“, so hieß es im Ausschuß, „werden alte Leute mit ganz speziellen Kenntnissen übernommen“. Nach Informationen der taz sind neun Mitarbeiter des ehemaligen Staatlichen MfS-Auflösungskomitees im Gespräch.
Anlaß für die Befürchtungen war der für den Nachtragshaushalt des Bundesinnenministeriums relevante „Mitarbeiternachweis“ für die Bundesverwaltung. Penibel listet das Papier für die nachgeordneten Einrichtungen des Ministeriums die personelle „Ist-Besetzung am 30.6.90“ auf. Unter der Rubrik „Zu übernehmen als Dauerpersonal“ steht bei der Gauck-Behörde die Zahl 951. Bei allen anderen Institutionen ist ebenso genau aufgeführt, wieviele Personen als „Dauerpersonal“ übernommen oder als „Zeitpersonal“ zum 31.12. gefeuert werden. Daraus folgerten Haushaltsexperten, daß die Stasi- Akten-Behörde den Löwenanteil ihrer MitarbeiterInnen — das Ministerium gedenkt, 30 WestlerInnen dort zu beschäftigen — aus dem alten DDR-Innenministerium zu übernehmen habe.
Äußerst zurückhaltend hatte Bonn entsprechende Berichte kommentiert. Umso wichtiger die Klarstellung von Staatssekretär Kroppenstedt. Auf Fragen im Haushaltsausschuß, ob er garantieren können, daß nicht der Bock zum Gärtner gemacht werde, entgegnete der Ministeriale: „Sie können sicher sein, daß es so nicht kommen wird. Bei der Zahl 951 handelt es sich um Leerstellen, nicht um Personen. An der in Gaucks Einstellungsvertrag festgelegten Dispositionsfreiheit bei Personalfragen werden wir nicht rütteln.“
Gauck selbst kündigte in einem Zeitungsinterview gestern an, seine Dienststelle werde in knapp zwei Wochen eine Benutzerordnung für die personengebundenen Stasi-Akten erstellt haben. Sie soll festlegen „in welcher Weise Bürgern darüber Auskunft gegeben wird, was die Stasi über sie sammelte“.
In dem gleichen Interview schilderte der Hausherr der Ex-Stasi- Zentrale die mysteriösen Vorgänge in dem Gebäude während der letzten Woche. Gaucks Version zufolge wechselte am 3.Oktober das Wachpersonal: An die Stelle von Ostberliner Polizisten des Zentralen Kriminalamtes traten Ostberliner Polizisten, die dem Bundeskriminalamt unterstehen. Zudem habe es „Aktivitäten im Rahmen der Untersuchungen der Generalbundesanwaltschaft gegen die ehemalige Stasi-Abteilung Aufklärung gegeben“, hieß es. Dem flugs von Journalisten befragten, sich ausdauernd in Widersprüche verwickelnden Sprecher des Bundeskriminalamtes habe „die nötige Klarheit“ über die Vorgänge gefehlt. Ferner hielten sich unbefugt drei vom ehemaligen Staatsarchiv beauftragte Personen in dem Gebäude auf. Der Fall werde noch geklärt. „Ein Eindringen in geschützte Bereiche“, so Gauck, „hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben.“ Petra Bornhöft
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