Keine Kopfmassage am Abend

■ ÖTV will Friseur-Ladenschlußzeiten verwestlichen/ Entlassungen so oder so

Berlin. Der sozialistische Zopf muß ab: Bevor die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) möglicherweise zwischen unterschiedlichen ArbeitnehmerInneninteressen zerrieben wird, hält sie lieber an altbackenen westlichen — Verzeihung: »bewährten« — Strukturen fest. Die Rede ist von den unterschiedlichen Öffnungszeiten der Friseure in Ost und West: Halten sie im Osten ihre Läden arbeitnehmerfreundlich von 6 Uhr morgens bis 22 Uhr geöffnet, schließen Haarscherer im Westen brav um 18 Uhr 30 ihre Pforten — wie es das bundesdeutsche Gesetz eben vorschreibt. Und dieses gilt jetzt natürlich auch im Osten — sehr zum Entsetzen der über 28.000 in der Friseur-GmbH der ehemaligen DDR organisierten HairstylistInnen. Da nämlich fortan kein Schichtdienst mehr möglich wäre, fürchten sie eine massiv um sich greifende Entlassungswelle. Für die ÖTV kein Argument: Entlassungen gebe es sowieso, so Sprecherin Martina Sönnichsen, da die Ostfriseure künftig nicht mehr so häufig frequentiert würden. Durch das vermehrte Warenangebot einerseits und die höheren Preise andererseits würden sich die Leute in Zukunft nämlich sowieso »ihre Haare eher zu Hause machen«. Da die verlängerten Ladenöffnungszeiten also keiner Entlassung vorbeugen würden, sondern nur auf die Knochen der dann noch Beschäftigten gingen, könne die ÖTV keine Sonderregelungen dulden. Als Kompromiß schlägt die Gewerkschaft eine Übergangszeit von »höchstens einem Monat« vor — dann aber müßten auch für Friseure die bundesdeutschen Ladenschlußgesetze gelten. Sehr zum Verdruß der SchererInnen — und ihrer Kunden. Die nämlich kamen in letzter Zeit besonders zahlreich auch aus dem Westen und nutzten die einzigartige Gelegenheit, ihren Kopf auch nach Feierabend noch ans Messer liefern zu können. Jetzt ist also Schluß mit der abendlichen Kopfhautmassage — es sei denn, die für heute beim Senat einberufene Runde mit VertreterInnen der Friseurinnungen Ost und West sowie der ÖTV entscheidet anders. maz