Lektion in schwerer Fußballkunst

■ Die Bundesrepublik gewinnt nach 25 Jahren wieder in Schweden (3:1), und Hans-Hubert Vogts hofft, die Zeit des stupiden Hinterherrennens hinter dem Gegner möge nun vorbei sein

DIE SCHWEDISCHE PRESSE: „Es wurde so gute, effektive und herrliche Unterhaltung geboten,“ schreibt 'Dagens Nyheter‘, „dem technischen Komitee des Fußballverbandes wird empfohlen, eine Delegation nach Deutschland zu schicken, um herauszufinden, wie die Gäste ihre imponierenden Schußfähigkeiten trainieren.“ Und das 'Svenska Dagbladet‘ sah vom „westdeutschen Weltmeister am Mittwoch eine gründliche Lektion in der schweren Fußballkunst“.

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DIE VERGANGENHEIT: Hans- Hubert („Berti“) Vogts: „Die Schweden sind der eigentliche Angstgegner des deutschen Fußballs. Seit 25 Jahren hat dort keine deutsche Nationalelf mehr gewonnen.“ Vorbei. Nur die Gesamtstatistik spricht noch für Schweden.

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DIE TOILETTEN: Leser haben bemängelt, auf der Sportseite käme zu häufig „Arsch“ oder „Scheiße“ oder ähnliches vor, was interessante Rückschlüsse auf die innere Verfassung der Beschäftigten zulasse. Das ist nicht auszuschließen, aber dieser Satz vom schwedischen Libero Glenn Hysen, der Rudi Völler im Strafraum foulte, ist verbürgt: „Der Schiedsrichter pfiff zu meiner Überraschung nicht. Er muß wohl gerade auf der Toilette gewesen sein.“ Guter Mann, der Hysen.

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DIE ITALIENER: Drei Tore von Spielern, die in Italien ihr Geld verdienen, da schwoll die Schlagzeile des 'Corriere dello Sport‘ zu: „Deutschland, Sieg mit Nummernschild Italien.“ Allzu schwer ist das nicht, sieben der schwarz-rot-goldenen Kicker vom Mittwoch laufen für die rot-weiß-grüne Liga.

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DIE EINZELKRITIK: Aumann „verhinderte schlimmeres“, Binz war „einer der stärksten“, Berthold wie immer „leichtsinnig“, Helmer „deckungstreu“, Strunz „fiel nicht ab“, Möller war „kein Ausfall“, Häßler „brachte Spielkultur“, Matthäus zeigte sich „von Beginn an im Bilde“, Brehme hatte „den Gegner jederzeit im Griff“, Völler „bewies Torinstinkt“ und Klinsmann war „in bester Spiellaune“. (Zitate: 'dpa‘)

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DER ARZT: ...heißt nicht mehr Liesen und saugt Blut aus Ohren zwecks Laktatbestimmung, Hans- Hubert Vogts hat einen neuen namens Prof. Wilfried Kindermann, 50 Jahre, der vieles anders macht: „Pillen vor dem Essen gibt es bei mir nicht.“ Auch keine Streit um Kohlehydrate mehr mit dem Koch: „Wenn ein Spieler vor dem Spiel wie bei Helmut Schön sein Steak will, dann wäre es schon psychologisch ungeschickt, es ihm nicht zu geben.“

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DIE ZUKUNFT: Kein Rabaukenfußball mehr, keine fünf Vorstopper wie zu Beckenbauers Zeiten. Frisch voran wills der Trainer: „Das stupide Hinterhergerenne hinter dem Gegner ist wohl endgültig vorbei.“ Aumann und Illgner? „Vielleicht benenne ich diese Position erst kurz vor dem Spiel“ gegen Luxemburg am 31.10., und Berthold, des Kaisers Liebling, reklamiert den Liberoposten als Altersruhesitz: „Wir haben in Manfred Binz einen Libero gefunden, der uns in Zukunft noch viel Freude machen wird.“ (Vogts)

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DIE WAHRHEIT: Gegen Portugal, bei Vogts' erstem Amtshandeln, war das Spiel schlecht, was der Trainer auf die kurze Bundesligasaison zurückführte: „Nie mehr so was.“ Die schwedische Saison indes ist fortgeschritten, weshalb unser redaktioneller Hausschwede Gunnar M. als wahren Grund für die mangelnde Treffsicherheit — nur ein 11m-Tor — einen alten Landesbrauch anzuführen wußte: Im frühen Oktober beginnt die Elchjagd, verbunden mit allerlei wüsten Zechereien, was stets zu einem allgemeinen Leistungstief führe.

Der Zeitpunkt des Freundschaftsspiels sei mithin völlig falsch gewählt, das Resultat absehbar gewesen. Komisch: Bayern München gilt gerade während des Wiesenzeit als extrastark. Fazit: Schweden sind keine Bayern. Zugegeben, viel ist daraus nicht zu lernen. -thöm-

Schweden: Ravelli — Hysen — Eriksson, Vaattovaara — R. Nilsson, Ingesson (81. Blohm), Jansson (60. Erlingmark), Rehn, J. Nilsson (60. Corneliusson) — Brolin, Pettersson

Bundesrepublik Deutschland: Aumann — Binz — Berthold, Helmer — Häßler, Möller (60. Riedle), Matthäus, Strunz, Brehme (60. Knut Reinhardt) — Völler, Klinsmann

Zuschauer: 20.396

Tore: 0:1 Klinsmann (29.), 0:2 Völler (38.), 0:3 Brehme (45.), 1:3 Rehn (73./Foulelfmeter)