Müll anstatt nach Afrika nun nach Osten?

■ Für Andreas Bernstorff, Experte von Greenpeace, ist der internationale Müllhandel „eine Art Müllkolonialismus“ INTERVIEW

taz: Was macht die Länder des ehemaligen Ostblocks für westliche Müllschieber so attraktiv?

Bernstorff: Diese Entwicklung hat nicht mit der Grenzöffnung und der Demokratisierung begonnen. In vielen Fällen wurde der Müllexport gegen harte Devisen auch schon zuvor von den kommunistischen Regierungen geduldet, zum Teil sogar gefördert. Wir können das im Falle von Rumänien oder der DDR ganz konkret nachweisen: Stasi und Securitate haben das benutzt zur Devisenbeschaffung. Die polnische und die tschechoslowakische Regierung haben 1988 sogar um die Hamburger Hafenschlämme konkurriert. Richtig ist allerdings, daß sowohl die Offerten als auch die tatsächlichen Lieferungen in den letzten zwei Jahren drastisch zugenommen haben...

...weil für die Bundesrepublik nun die DDR als Müllhalde wegfällt?

Nein. Die Länder der ehemaligen DDR werden mehr Müll denn je bekommen, allerdings auf dem Umweg über die Müllverbrennung. Wir zählen im Augenblick 16 Projekte von Westfirmen, die West- und auch ein bißchen Ostmüll im Osten verbrennen wollen und natürlich die Verbrennungsreste zurücklassen werden. Daß der Run auf Polen, die CSFR, Ungarn und Rumänien jetzt so richtig einsetzt, kommt daher, daß immer mehr afrikanische Länder ihre Gebiete für Müllimporte sperren und die unterschiedlichen Gesetzgebungen der EG-Länder nun einander angepaßt werden, so daß das Verschieben innerhalb der EG schwieriger wird. Die Engländer und Franzosen werden zunehmend sauer auf die Deutschen. Vor zwei Wochen titelte ein englisches Massenblatt: „Krauts ship killerwaste to Britain“. Worauf die „killerwaste“ prompt nach Polen gingen.

Polen hat seit einem Jahr ein Importverbot.

Das hat zum Teil sicher geholfen. Allerdings sind die Behörden in den Ländern des ehemaligen Ostblocks meist nicht auf die Müllflut vorbereitet. Die Grenze zwischen Wirtschaftsgut und Giftmüll ist fließend und oft nur durch chemische Analysen und genaue Kenntnis der geplanten Verwendung feststellbar. Woher soll ein Zollbeamter an der Grenze wissen, was ein Importeur mit Kabelrollen oder mit gebrauchten Kühlschränken vorhat? Individuelle Importverbote helfen nicht weiter, was her muß, sind Exportverbote in den EG-Ländern.

Nach der Baseler Konvention von 1989 müssen Müllexporteure eine Importgenehmigung des Ziellandes vorlegen. Ähnliches sieht eine EG-Richtlinie von 1987 vor.

Nach der EG-Richtlinie reicht es, wenn das Zielland innerhalb von 20 Tagen ab Anfrage keinen ablehnenden Bescheid erläßt. Die Baseler Konvention dagegen, die eine Zustimmung zwingend vorschreibt, ist bis jetzt erst von fünf Ländern ratifiziert worden, damit sie überhaupt in Kraft tritt, muß sie von 20 Ländern ratifiziert werden. Mehr Fortschritt bringt da die Konvention von Lome: In 68 afrikanische, karibische und pazifische Staaten wird die EG aufgrund eines entsprechenden Abkommens keinerlei Giftmüll mehr liefern dürfen, Atommüll eingeschlossen.

Warum beschäftigt sich Greenpeace damit?

Was sich im Bereich des Müllexportes tut, ist für mich eine Art von Kolonialismus. Aber die Umweltschutzbewegung in Westeuropa hat ein ganz konkretes Interesse an einem Exportverbot für Müll. Nur wenn hohe Entsorgungsstandards nicht durch Exporte in Billigländer umgangen werden können, sind die Müllverursacher gezwungen, abfallsparende Produktionsmethoden anzuwenden. Letztendlich ist ein Exportverbot für Müll ein wichtiger Beitrag zur Abfallvermeidung, zur umweltschonenden Entsorgung und damit überhaupt zum Umweltschutz. Interview: K. B.