Bis euch lechts und rinks velgeht

■ Faßbinders „Anarchie in Bayern“, ein starkes Stück vom Jugendclub

Es ist schon ziemlich abenteuerlich, was die Jugendclub-Akteure und -tricen da in der vergammelten Katakombe underground des Bremer Theaters zeigen: In eine Faßbindersche science-fiction von 69, in der anarchisch-antiautoritäre 68er Revolutionäre in Bayern Ordnung und Gesetz abschaffen, transplantieren sie den Zusammenbruch des deutschen Staatssicherheits-Sozialismus anno 1989/90.

Die 68er Revolutionäre gegen Geld und bürgerlich-kapitalistische Ordnung tragen — außer Clownsnasen — die schwarz-rot- goldenen Schärpen der Revolutionäre für das „einig Vaterland“, die für die Wiederherstellung genau dieser Ordnung und ihres Symboles, der D-Mark, auf die Straße gegangen sind.

Ein frontenverkehrendes historisches Klitterspiel, das mich zu Beginn der 22 Scenen-Revue in heftige Verwirrung gestürzt hat. Die Abschaffung der Ehe und des Privateigentums am Auto, die Verwandlung der Kirchen in Museen als Credo aus dem Munde der Revolutionäre mit der Schwarz-Rot-Goldenen Schärpe, was soll der Quatsch. Daß es der aufregend-provozierende Quatsch lebendigen Studententheaters ist, (das es seit 20 Jahren nicht mehr gibt), habe ich spätestens bei der David-Haselhoff- Parodie gemerkt. Da sucht einer nach der Freedom-Freiheit, begleitet von den genitalen Stößen, die spätestens seit Mick Jagger aus keinem wirklich geilen Rock- Popkonzert wegzudenken sind, daneben entblößt eine Frau die schwarzen Strapse, und das Volk steht stumm und schweiget — erschreckt und hingerissen von dieser langersehnten Freiheit aus Sich-Sex-und-alles-Leisten-Können. Und da ist auf einmal das tertium datur, das die 68-er Revolutionäre und die des Helmut Kohl gemeinsam haben: die Freiheit des Westens. Daß die das einemal bürgerlich, das andermal bürgerschrecklich daherkommt, tut nichts zur Sache. Die Sache ist der Schock, den Faßbinders Familie „Normalzeit“ genauso empfindet wie die DDR-Ehemaligen jetzt: Sie kommen aufs Amt, „Verzeihung, wen kann man denn fragen, wie das Leben weitergeht“. Und da ist dann die „Neue Bürokratie“ zuständig, lutscht an herzförmigem Riesenlolli und sagt: „Warum steht's denn alle so akkurat da. Bewegt's euch halt a bissel.“

Oder: Die „endlichkönnen wir alle entdecken, was es heißt, wirklich frei zu sein“-Reden des „Großen Vorsitzenden“ klingen, als sei Faßbinder ghostwriter des schäbischen Wirtschaftspredigers Haussmann gewesen.

Chapeau vor dem Jugendclub, das ist stark. Wir Westler kommen auch vor: Wir sind die Zuschauenden, denen Lechts und Rinks vergeht. Uta Stolle