Ohne Krimi geht die Mimi...

■ Pieke Biermann und Felix Huby lasen in der Neustadt-Bibliothek

Ich habe mir einen Krimi gekauft. Zum erstenmal im Leben. Bisher habe ich mich allen Überzeugungsversuchen krimiinfizierter FreundInnen erfolgreich widersetzt. Aber Pieke Biermann hat es geschafft. Sie las am Donnerstag abend gemeinsam mit Felix Huby in der Stadtbibliothek Neustadt. Die beiden bildeten den Auftakt zu der dreiteiligen Leseserie „Mord und Totschlag“, die „letzte Zweifel an der Salonfähigkeit des deutschen Kriminalromans ausräumen“ soll.

Aufgeräumte Stimmung, Salzgebäck zum Knabbern auf den Tischen, bequeme Sessel, ein bißchen wie vor dem Fernseher. Zum Glück kommt aber nicht „Der Alte“ oder ein schnarchlangweiliger „Tatort“, sondern „Violetta“, die Lustmörderin, eine noch nie dagewesene Täterspezies, wie Pieke Biermann versichert. Westberlin, Sommer 1989: „Ein Gewitter lag in der Luft wie ein prämenstruelles Syndrom.“ Eine Frau macht sich auf die Jagd, erstmal nur mit der Kamera. Ein bis in jede Faser des Körpers sinnliches Begehren. Die LeserInnen folgen ihr gespannt auf ihrer Pirsch durch Berlin, bis sie den „richtigen Kandidaten“ in einer Zeitschriftenhandlung entdeckt, ihn mit Blicken attakiert, bis er ihr aus dem Laden folgt „wie ein desorientierter Dackel.“ Konspiratives Gekicher beim (überwiegend) weiblichen Publikum, betretenes Lächeln bei den Männern. Es tut so gut: diese starken Frauen und diese preisgegebenen Männer. Auch sprachlich ist es eine Lust, was ja bei Krimis nicht selbstverständlich ist: Spannung wird aufgebaut mit Stakkato-Sätzen, Sinnliches ausführlich-sinnhaft beschrieben, originelle Formulierungen, Menschen, keine Stereotypen.

„Der Fall interessiert mich eigentlich gar nicht, mich interessieren die Personen“, befindet

hierhin bitte

das Frauen-Foto

Pieke Biermann

die Krimi-Neuling Pieke Biermann, einst Galionsfigur der deutschen Nuttenbewegung. Sie will nicht kriminalistische Gelüste von Sesseldetektiven mit möglichst ausgefeilten und fintenreichen Storys befriedigen. „Ich wollte die Stimmung damals (Sommer 1989) in dieser Stadt darstellen.“ Und die war, abgesehen vom eskalierenden politischen Geschehen, geprägt von „einer Welle von sexueller Gewalt“, zu deren Opfern auch etliche von Biermanns Freundinnen und Bekannten zählten. Den Vergewaltigern stellt sie ihre „Lustmörderin“ entgegen, „aber nicht durch eine einfache Umkehrung“, das wäre nicht nur blöd, sondern mit einem „aus der Mode gekommenen Wort“ auch „un

Foto: M. de Ridder

dialektisch“.

Harter Schnitt, Buch auf für Bienzle. Der schwäbelnde Zweizentnermann mit viel Gemüt vom Stuttgarter Kommissariat arbeitet sich nur mühsam in mein Hirn vor. Felix Huby, im Gegensatz zu Pieke Biermann „Vielschreiber“, bekannt durch Fernsehserien von Pfarrern und Flughafenpersonal, auch Tatort-Autor, hat die Episode „Leibwächter“ aus dem 1990 erschienenen Sammelkrimi „Bienzle und der Sündenbock“ (Rowohlt) ausgewählt. Bienzle soll einen afrikanischen Diktator auf Staatsbesuch bei Lothar Späth bewachen. Sein liberales Gemüt sperrt sich gegen den „Mörder“, doch sein Pflichtbewußtsein erlegt ihm Diensteifer auf. Sein psychologisch gewiefter Schöpfer läßt den so Gespaltenen sein Heil in Träumen suchen, wo einer den Generalissimus erschießt und Bienzle darob einen Lachkrampf bekommt. Das träumt er vor dem Staatsbesuch und wie schon im Märchen: beim drittenmal wirds wahr. Nur, daß Bienzle den Staatsmann gerade noch retten kann, in dem er sich auf ihn stürzt und ihn in das stinkende Becken einer Kläranlage befördert. Die Rache des kleinen Mannes, die auch „der Ministerpräsident“ klammheimlich belachen darf.

Nein, tut mir leid, bestimmt ist Bienzle ein netter Kerl und das schwäbische Lokalkolorit anheimelnd, aber auch wenn Huby angibt, „aus dem Bauch“ zu schreiben, wirkt vieles flach und konstruiert. Dann doch lieber Pieke Biermann, auch wenn sie auf der Shit-Parade der Buchmesse für die schlechtesten Krimi-Autoren als „Postmoderne Courths-Mahler“ auf Platz 2 kam. Annemarie Struß-v. Poellnitz