Freundlicher Anschluß

■ Stiftung Preußischer Kulturbesitz dehnt sich aus

Rembrandt kommt nach Berlin, doch entgegen der ursprünglichen Planung wird die mit 50 Gemälden und 40 Zeichnungen bislang größte Gesamtschau des Holländers im September 1991 nicht im Martin-Gropius-Bau, sondern im Ostberliner Alten Museum präsentiert. Denn seit dem legendären Einigungstag stehen auch die Staatlichen Museen zu Berlin, gemeint sind die zu Ost-Berlin, unter der Verfügungsgewalt ihrer westlichen Partnereinrichtung. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat gemäß Artikel 35 Absatz 5 des Einigungsvertrages die Trägerschaft für den im Osten befindlichen Teil der ehemals preußischen Sammlungen übernommen. »Damit gehört«, so Stiftungspräsident Professor Dr. Werner Knopp in seiner Anschlußrede vor Direktoren und Mitarbeitern der Deutschen Staatsbibliothek Unter den Linden und der Berliner Museumsinsel, »nach 45 Jahren der Trennung wieder zusammen, was bald auch wieder zusammenwachsen wird.« Neben den Ostberliner Museen und der Staatsbibliothek wurde am 3. Oktober auch die Dienststelle Merseburg des Zentralen Staatsarchivs der DDR, die vier Fünftel des ehemaligen Preußischen Geheimen Staatsarchivs beherbergt, der Stiftung unterstellt.

Zwar läuft der Auftrag der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nur, gemäß Stiftungsgesetz 3, bis zu einer mit der »Wiedervereinigung« verbundenen Neuregelung und ist auch im Einigungsvertrag nur von einer »vorläufig« nach Osten erweiterten Trägerschaft die Rede, doch wird wohl auch künftig die Stiftung ihren von Bund und Ländern finanziell gestützten, gesamtstaatlichen Charakter behalten. Der Präsident der Stiftung, Knopp, und die Leiter der ihr unterstellten Einrichtungen in Ost und West jedenfalls haben sich »einmütig und nachdrücklich dafür ausgesprochen, an der bewährten Form einer gemeinschaftlichen Trägerschaft durch Bund und Länder festzuhalten«.

Ost-Berlins Museumsmitarbeiter sind, und das unterscheidet sie von denen anderer Kultureinrichtungen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, mit der Regelung nicht unzufrieden. Seit dem 3. Oktober sind auch sie Stiftungsmitarbeiter, und ihr neuer Chef, Professor Knopp, versprach die »Betreuung eines nun erheblich erweiterten Mitarbeiterstabs« und nicht deren Abwicklung. Der Stiftungspräsident berief als eine seiner ersten Amtshandlungen den vom DDR- Kulturminister Schirmer abgesetzten Generaldirektor der Staatlichen Museen, Professor Günter Schade, erneut in sein Amt. Schade, der dieses Amt seit August 1983 bekleidet, warf das Kulturministerium vor, in den Verhandlungen mit der Stiftung nicht konsequent die Position der DDR vertreten zu haben. Die Stelle des Generaldirektors wurde noch im September und gegen den Widerstand der Direktoren der Schade unterstellten Museen und Sammlungen neu ausgeschrieben. Knopp stellt sich mit der Entscheidung für Schade, die die Ausschreibung des Kulturministeriums praktisch bedeutungslos werden läßt, hinter die eine generelle Säuberung befürchtenden Direktoren. Diese hatten in einem Protestschreiben an das Kulturministerium im Juli unter anderem mit der Begründung: »Wir sind davon überzeugt, daß Herrn Professor Schade nicht mehr und nicht weniger vorzuwerfen ist als den meisten von uns«, gegen die angekündigte Entlassung ihres Chefs interveniert. a.m.