Was beweisen Videos?

■ Das Medienspektakel des Polizeipräsidenten KOMMENTAR

Das vorweg: Was die von Polizeipräsident Schertz eiligst herbeigerufenen JournalistInnen gestern per Videoband vorgeführt bekamen, war brutal und in keiner Weise zu entschuldigen. Wer so prügelt, nimmt zumindest bleibende körperliche Schäden beim Opfer in Kauf. Die Tatsache, daß die junge Polizeibeamtin gerade in ihre »Wanne« einsteigen wollte — der Zwischenfall sich also nicht in der Hitze des Gefechts ereignete —, macht die Tat noch widerwärtiger. So etwas bezeichnen Juristen gewöhnlich als gefährliche Körperverletzung, unter Umständen als versuchten Totschlag. Woher die Staatsanwaltschaft aber die Gewißheit nimmt, daß es sich hier um einen versuchten Polizistenmord handelt, blieb auf der Pressekonferenz ihr Geheimnis. Lüften wir es ein bißchen.

Sechs Wochen vor der Wahl soll offensichtlich ein Akt aus dem Schauspiel »Startbahn West« neu inszeniert werden, an den wir alle noch mit Schrecken zurückdenken. Es gibt diesmal zwar keine erschossenen Polizisten, es darf auf Grund der Angaben des Notarztes sogar stark angezweifelt werden, ob eine Gehirnerschütterung durch den Angriff hervorgerufen wurde. Was man da macht? Die untersuchende Ärztin denunzieren! Die hat, so werden wir es in den nächsten Tagen im Froschfunk 100,6 hören und in den Boulevardblättern lesen, erstens keine Ahnung vom Fach und ist zweitens eine Polizistenhasserin. In solch emotionsgeladener Stimmung fällt dann auch gar nicht mehr auf, daß die mit einem Ellbogen-Kapselriß im Krankenhaus liegende Beamtin unter normalen Umständen schon längst ambulant behandelt werden würde. Dazu kommt: Wie kann eigentlich ein Hausarzt eine solche Diagnose abgeben, für die man spezielle Untersuchungseinrichtungen braucht, die für gewöhnlich nur in Kliniken stehen? Die vielen offenen Fragen legen den Verdacht nahe, daß Polizeipräsident Schertz hier bewußt einen Vorfall hochstilisiert, um vor dem 2. Dezember in seinem Laden Punkte zu sammeln. Claus Christian Malzahn