Föderalismuslüge

■ Die CSU vor der Wahl KOMMENTARE

Nicht zum ersten Mal wählt Bayern diesen Sonntag zusammen mit den ehemaligen DDR-Bürgern. Bereits bei den Kommunalwahlen wurde gleichzeitig gewählt. Der schwäbische CSU-Chef, Theo Waigl, vermutet dahinter gar einen Komplott des Pfälzers Helmut Kohl. Ein weiteres Mal fürchtet seine Partei, daß der „Freistaat“ damit unter ferner liefen rangiert. Daß diese Terminüberschneidung eine Hinterfotzigkeit von Kohl ist und der sich die Hände reibt, mag ja sein. Deshalb jedoch sofort Knieschwammerl zu kriegen, paßt so gar nicht ins Bild der ehemals selbstherrlichen Strauß-Partei. Denn eigentlich müßten sie jubeln. Diese Wahl ist nämlich eine Länderwahl. Und was haben sich die Schwarzen immer darauf eingebildet, den Föderalismus für sich gepachtet zu haben. Da dürfte es eigentlich keine Schwierigkeit sein, den bayerischen Wählern jetzt klarzumachen, daß sie eben ihre Heimat, den Freistaat Bayern wählen sollen. Jahrzehntelang funktionierte diese Gleichung — CSU ist gleich Bayern und damit Heimat — doch ziemlich reibungslos. Freilich, nach dem Tod von Strauß scheint da etwas aus den Fugen zu geraten. Auf der Suche nach Föderalismus und Regionalismus pilgerten die CSU- Parlamentarier sogar ins spanische Katalonien.

Mit ihrem Wahlslogan „Deutschland kommt, macht Bayern stark“ versucht die CSU jetzt an dieses „Heimatgefühl“ zu appellieren. Das ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber wohl doch nur halbherzig. Denn jeder gestandene Bayer wird sich fragen, ja was nun, seit wann waren wir denn vorher schwach? Hieß es nicht immer: „Mia san mia“, und uns kann so leicht keiner? Auch der Wahlspot, den sich der CSU-Pressesprecher ausgedacht hat, nach dem Motto: „Die Preußen kommen, aber wir haben nichts dagegen und wählen CSU“ ist nicht gerade das Weiß-blaue vom Ei. Wo bleibt der Mut, jetzt, in diesem „Schicksalsjahr“, wie es Waigl und Co. immer so gern bezeichnen, im zu Ende gehenden 20. Jahrhundert sich einzusetzen für die Regionen und damit ernst zu machen? Selbst der bayerische Kabarettist Gerhard Polt, nicht unbedingt ein CSU-Fan, denkt laut an ein kleines Bayern außerhalb Deutschlands — aber in Europa! Doch bei den Oberpatrioten von der CSU herrscht Funkstille. Alles nur Fensterreden? Wann, wenn nicht jetzt, ist es Zeit, der Zentralregierung ein Schnippchen zu schlagen. Das halbherzige Gejammer von Ministerpräsident Streibl über Berlin als künftige Hauptstadt klingt nur wehleidig und beleidigt. Welche Angsthasen sich in der Staatskanzlei tummeln, zeigt sich bereits daran, daß die ominöse Studie, die der Ministerpräsident angeblich in Auftrag gegeben hat, um zu überprüfen, ob ein Ausstieg Bayerns aus der bundesrepublikanischen Gemeinschaft möglich wäre, nie veröffentlicht wurde. Damit hätten die CSUler wenigstens zeigen können, daß sie sich wirklich Gedanken machen um die Zukunft Bayerns. Der Lodenfrey-Look allein reicht als Beweis für Bayernliebe nicht mehr aus.

Aber vielleicht war es den Schwarzen mit ihrem Föderalismus ja nie so besonders ernst. Scheinheilig haben sie ihn auf ihre Fahnen geheftet und nach innen ihren Freistaat sowieso zentralistisch regiert, in der Hoffnung, daß niemand merkt wie wurscht ihnen eigentlich die bajuwarischen Eigenheiten sind. Nun bekommen sie die Quittung dafür. Die Föderalismuslüge zieht nicht mehr. Luitgard Koch