Sie moppen und sie bohnern

ÖTV für Aufwertung der Frauenarbeit/ Männerarbeit ausführlich in Tarifverträgen beschrieben  ■ Von Martin Kempe

Berlin (taz) — Eine Arbeitsplatzbeschreibung: „In Schulen moppen sie, entfernen Flecken auf dem Boden, Kaugummi z.B. mit einem Spachtel, Cola mit nassem Lappen...“ — so haben Reinigungsfrauen ihre Arbeit in hessischen Schulen beschrieben. Ähnlich könnte es auch im einem zukünftigen Tarifvertrag stehen, wenn sich die ÖTV bei den jetzt anstehenden Tarifverhandlungen über die Lohn- und Gehaltsstruktur im Arbeiterbereich sowie im Sozial- und Erziehungsdienst durchsetzt.

Für die „Aufwertung von Frauentätigkeiten“ will die hessische ÖTV auf einer Auftaktveranstaltung am Sonnabend auf dem Frankfurter Römerberg mit viel Diskussion, Musik und Kultur werben. Und ein Anfang wäre, daß die Arbeiten der Frauen in den Tarifverträgen ebenso detailliert beschrieben werden wie es für Männerarbeiten seit je üblich ist.

Frauenarbeiten sind, so hat die hessische Bezirksfrauensekretärin Barbara Dürk bei der Durchsicht von Tarifverträgen festgestellt, offensichtlich „nicht der Rede wert“. „Die Arbeiten sind nirgendwo beschrieben und es gibt kaum Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten.“ Bei den Reinigungsfrauen heißt es etwa im Hessischen Lohntarifvertrag: „einfachste Tätigkeiten, wie z.B. Garderobefrauen, Reiniger (männlich, obwohl es sich überwiegend um Frauen handelt!) von Räumen, Höfen, Treppen, Wärter von Bedüfnisanstalten“. Auch bei den Erzieherinnen findet sich im Bundesangestelltentarif keinerlei Beschreibung ihrer Tätigkeit, obwohl diese äußerst vielfältig ist und hohe Qualifikation verlangt. Ganz anders bei den Männern. Die sind eine „wahre Fundgrube an Beschreibungen und Wertzuweisungen“, aus denen sich eine durchschnittlich höhere Bezahlung und eine Vielzahl von Zulagen herleiten. In der Lohngruppe III des Hessischen Lohntarifvertrags werden beispielsweise die Reifenmonteure genannt, die „für Omnibusse, Obusse und entsprechende Fahrzeuge mit verantwortlicher Zustandsprüfung“ zuständig sind. Und bei dem Elekromechaniker an den städtischen Bühnen Frankfurt wird hervorgehoben, daß er „Lichteffektapparaturen ohne fremde Unterstützung für den Bühnenbetrieb herstellt und zum betriebsbereiten Einsatz bringt“, also vor Benutzung „den Stecker reinsteckt“, wie die ÖTV- Frauensekretärin spöttisch bemerkt.

Bei den für den Herbst angesetzten Tarifverhandlungen wollen die ÖTV-Frauen den Wegfall der untersten Frauenlohngruppen und Höherstufungen etwa für Erzieherinnen, Sozialarbeiterinnen usw. durchsetzen. Es sei überhaupt nicht einzusehen, warum etwa eine Sozialarbeiterin mit qualifizierter Fachschulausbildung geringer eingestuft werden soll als ein Bauingenieur, der ebenfalls eine Fachhochschule absolviert hat. Die Höherbewertung von technischen Berufen gegenüber der Arbeit im sozialen Bereich gehorche männlichen Maßstäben.

Für den nötigen Druck in den kommenden Auseinandersetzungen sorgen die Verhältnisse in den Kindertagesstätten und Sozialverwaltungen. Immer weniger Frauen bleiben wegen der schlechten Bezahlung und den unzumutbaren Arbeitsbedingungen im Beruf. Nachdem der „Pflegenotstand“ schon dafür gesorgt hat, daß in vielen Krankenhäusern nur noch Notprogramm absolviert werden kann, droht nun nach Ansicht der ÖTV ein „Erziehungsnotstand“.