: Israel-Resolution läßt auf sich warten
Weltsicherheitsrat noch immer ohne Antwort auf das Massaker vom Tempelberg/ Herbe Kritik Israels an EG-Verurteilung/ Polizei wußte von geplanten Provokationen israelischer Religionsfanatiker ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Die Mitglieder des Weltsicherheitsrats haben bis zum Freitag noch keine gemeinsame Antwort auf die Frage gefunden, wie eine gegen Israel gerichtete UN-Resolution nach dem Blutbad auf dem Tempelberg aussehen sollte. In der Altstadt von Jerusalem folgten am Donnerstag Zehntausende Israelis einem Aufruf der Regierung und versammelten sich zum Ausklang des Laubhüttenfestes an der Klagemauer. Viele trugen Maschinenpistolen. Ein massives Polizeiaufgebot hielt unterdessen jeden Araber vom Tempelberg fern.
In New York galt es am Freitag als sicher, daß die Mitglieder des Sicherheitsrats ihre Suche nach einem Kompromiß zunächst in Einzelgesprächen fortsetzen werden. Ein Termin für die nächste Ratsversammlung wurde nicht genannt. In New York geht man nun davon aus, daß eine Resolution nicht unmittelbar bevorsteht, obwohl mehrere Ratsmitglieder auf eine schnelle Entscheidung drängten. Wie an den Vortagen geht die Suche nach einem Entwurf weiter, der sowohl für die USA als auch für die PLO akzeptabel ist.
Herbe Kritik mußte sich die Europäische Gemeinschaft aus Israel gefallen lassen. Ein Sprecher von Premier Schamir warf der EG vor, mit ihrer jüngsten Kritik an Israel nur dem irakischen Staatschef Saddam Hussein und der PLO zu nützen. Durch die Verurteilung des israelischen Vorgehens gegen die Palästinenser „lenken die Europäer die Aufmerksamkeit von der Golfkrise ab, die tatsächlich den Frieden im Nahen Osten gefährdet“. PLO-Chef Arafat erklärte unterdessen, sollte Israel in ein arabische Land einfallen, dann werde sich die PLO „zweifellos an der Verteidigung dieser Länder beteiligen“.
Besorgniserregend ist die Tatsache, daß nun von israelischer Seite aus versucht wird, die Spuren des Massakers vom vergangenen Montag zu verwischen und die Schuld daran pauschal den Palästinensern in die Schuhe zu schieben. Obwohl mittlerweile feststeht, daß Schamirs Behauptung, das Blutbad sei durch palästinensische Provokateure ausgelöst worden, schlicht falsch ist, sah der Premier keinerlei Handlungsbedarf für eine Entschuldigung.
Schon längere Zeit vor dem Massaker war beispielsweise der israelischen Polizei bekannt, daß die arabische Bevölkerung zum Schutz der Moscheen am Tempelberg Maßnahmen gegen die Extremistengruppe „Gläubige des Tempelberges“ plante, um deren Grundsteinlegung des „Dritten Tempels“ zu verhindern. Die Polizeibehörden wußten um die Aktion der Tempelgründer. Immerhin verhängten sie ein Verbot des Demonstrationszuges der Religionsfanatiker. Und auch das Oberste Gericht, von der Gruppe angerufen, bestätigte das Verbot.
Eine Untersuchungskommission, zusammengesetzt aus ehemaligen Staatsbeamten unter Leitung des Ex- Mossad-Chefs Zvi Zamir, soll nun die Ursachen des Blutbades erneut prüfen. Die Kommission besitzt aber keinerlei rechtliche Mittel, um Zeugen beispielsweise zur Aussage zu zwingen. Die Linksopposition in der Knesset — ohne Arbeiterpartei — forderte daher einen staatlichen Untersuchungsausschuß mit einem Richter an der Spitze und klaren Kompetenzen.
Wie gestern in den israelischen Medien gemeldet wurde, soll das Blutbad vom Montag zu einer Reihe von polizeilichen Maßnahmen führen. In der Planung ist eine verschärfte Überwachung des „Haram asch-Scharif“, des Moscheenbezirks auf dem Tempelberg, durch israelische Sicherheitsbeamte. Gedacht ist auch an eine Videoüberwachung der Innenräume der Moscheen. Darüber hinaus sollen die Muezzine, die islamischen Gebetsrufer, ihre Predigten mehrere Tage vor Verlesung den israelischen Behörden zur Bewilligung vorlegen. Bei etwaigen Abweichungen vom genehmigten Text sollen einfach die Lautsprecher abgeschaltet werden. Die israelisch besetzte Westbank und der Gazastreifen wurden im Zuge der „Prävention“ zum militärischen Sperrgebiet erklärt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen