: Einheitsmezzoforte
■ „Orpheus und Eurydike“ — verunglückte Premiere des Musiktheaters
In der Entwicklungsgeschichte der Oper nimmt Glucks „Orpheus“ eine herausragende Stellung ein. Sie ist der Prototyp eines „Gesamt“-Kunstwerkes, das seine Elemente aufeinander abstimmt, um im Zusammenwirken von szenischer Darstellung, Ausstattung, Handlung und Musik die Zuschauer zu rühren.
Weiß man um den Kontext, so muß man die Aufführung des Bremer Theaters als mißglückt bezeichnen. Unverständlich ist bereits der Verzicht auf die szenische Darstellung. Warum kommentarlos einfach konzertant? Hier wäre ein Rechtfertigungsversuch im Programmheft angebracht gewesen.
Nun hätte man wenigstens eine musikalisch besonders überzeugende Aufführung erwarten dürfen — hochkarätige Sänger und ein Orchester, das sich zumindest ansatzweise um eine adäquate, vom Affekt bestimmte Umsetzung des Notentextes bemüht. Stattdessen: Ein Dirigent, der das Geschehen kaum in der Hand hatte — der permanent abstehende rechte kleine Finger trug auch nicht gerade zur Deutlichkeit bei.
Dazu ein Orchester, das sichtlich Dienst tat — Einheitsmezzoforte, Unsicherheiten und manchmal Intonationsprobleme. Problematisch auch die Besetzung der Titelrolle (eigentlich für Altus), die für einen Tenor eben doch zu tief liegt, auch wenn sich Björn Waag hörbar bemühte. Allein Teresa Seidl (Eurydice) vermochte mit ihrer ausdrucksstarken Stimme zu überzeugen. Und Soloflötist Matthias Rust konnte im berühmten „Reigen seliger Geister“ mit seinem eindrucksvollen Musizieren das Orchester für wenige Minuten so mitreißen, das für einen Moment zu ahnen war, was mit etwas mehr Enthusiasmus hätte sein können. Leider blieb dies ein Einzelfall. Wieder einmal feierte in Bremen die kulturelle Mittelmäßigkeit fröhliche Urständ.
Von einer Premierenaufführung eines mithin problematischen Werkes hätte man mehr erwarten dürfen als gelangweilten Routinedienst. Gunnar Cohrs
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