Kampf ums öffentliche Füllhorn

■ Die Bundesvereinigung soziokultureller Zentren traf sich in Berlin zum ersten gesamtdeutschen Treffen

Berlin (taz) — Die Bundesvereinigung soziokultureller Zentren hatte sich von Freitag bis Sonntag im Berliner Kulturhaus am Thälmann-Park versammelt, um zu sichten, wer im Osten ihresgleichen ist und der Unterstützung bedarf. Rund 120 Leute bevölkerten das Treffen, von östlicher Seite zum Großteil jene, die vormals „kulturpolitische Mitarbeiter“ hießen, und nunmehr das Know-how zum Überleben in der Marktwirtschaft erkunden wollten.

Im Einigungsvertrag findet sich zwar die gütige Formulierung, daß die kulturelle Substanz des Beitretenden erhalten bleiben solle, allein ob unter diesen endlos weiten Begriff auch die mannigfachen kommunalen Kultureinrichtungen fallen, scheint die Frage.

Der dritte Nachtragshaushalt des Bundestags plant zwar 15 Millionen DM ein, um unmittelbaren kulturellen Schaden von der ehemaligen DDR abzuwenden. Aber es war den Versammelten wohl klar, daß damit eher der desolate Zustand vieler Kulturdenkmäler gemeint ist. Der Fonds „Soziokultur“, den Ministerialrat Wemmer vom Bundesinnenministerium anbieten konnte, bemißt sich dagegen derzeit auf die spärliche Summe von 435.000 DM. Erste Frage noch vor allen Begriffsbestimmungen, was Soziokultur nun sein solle, war darum, mit welchen Mitteln man die öffentliche Hand in Bund, Ländern und Kommunen zur Freigiebigkeit bringen könnte. Die beamtete Kulturszene, die wie der Leiter des Leipziger Stadtkabinetts für Kulturarbeit, Stefan Gööck, sie nannte, ist in der Ex-DDR reichlich überbesetzt. Abgesehen davon, daß sie prüfen muß, inwieweit sie überhaupt Soziokultur betreiben will, wird sie zumeist der Definition soziokulutreller Zentren in der Bundesrepublik nicht gerecht. Kaum eines der östlichen Kulturzentren steht in freier Trägerschaft.

Zweite Frage also: Vereinsrecht und Verfahrensfragen. Gööck signalisierte Entsolidarisierung unter den östlichen Kulturarbeitern anstatt gemeinsam den Kampf aufzunehmen. Der öffentliche Bedarf an Soziokultur, die sich bewußt als Gegenpol oder Ergänzung der konsumorientierten Hochkultur versteht, wird künftig nicht mehr „festgelegt“, er muß von den Interessierten erkämpft werden. „Ihnen wird kein Geld geschenkt, sich müssen sich darum bewerben, Freunde gewinnen, Politik machen“, gab Staatstekretär Kirchner von der Berliner Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten den östlichen Kulturwilligen mit auf den Weg. Während dman sich am Sonnabend diesem Kampf in seinen einzelnen Bestandteilen in Arbeitsgruppen widmete, galt der Sonntag dem perspektivischen Zusammengehen, der Mitgliedschaft in der Bundesvereinigung, die dem Erhalt kultureller Substanz ihre eigene Sicht aufprägen will. Was von der hochgelobten DDR-Identität sich in die einige BRD einbringen wird, hängt sicher zu einem großen Teil von diesen städtischen Initiativen ab. Stefan Schwarz