Schaltet Stolpe in Brandenburg die Ampel?

■ Großer Erfolg für SPD-Stolpe in Brandenburg/Sozialdemokraten legten seit März 10 Prozent zu/ Brandenburg ist das einzige der Länder„, in dem die CDU nicht zwingend an die Regierung kommt

Berlin (taz) — „Der Steuermann heißt Doktor Stolpe.“ Diese Erkenntnis, kurz nach den ersten Hochrechnungen gestern abend, hatte der CDU-Kandidat in Brandenburg Peter Michael Diestel. Manfred Stolpe wird der einzige der neuen Ministerpräsidenten sein, der ein SPD-Parteibuch hat. Inmitten der Wahlsiege der Schwarzen in den neuen östlichen Bundesländern schert nur eines aus: Brandenburg.

Das Wahlergebnis der SPD liegt weit höher, als sich der Spitzenkandidat Manfred Stolpe je hat träumen lassen. Noch vor wenigen Tagen spekulierte er über 35 Prozent. Nach den ersten Hochrechnungen lag die SPD schon bei 38,3 Prozent; ein Zugewinn von 10 Prozent. Die CDU konnte gerade noch schlappe 29,8 Prozent der 1,6 Millionen Brandenburger Wählerstimmen erringen. (34 Prozent bei der Märzwahl.)

Deutliche Verluste mußte auch die PDS einstecken. Mit 13,6 Prozent konnte sie fünf Prozent weniger Stimmen erringen als bei der Volkskammerwahl. Das Bündnis 90 ist, trotzdem es keine Listenverbindung mit den Grünen eingegangen ist, im neuen Landtag mit 5,6 Prozent vertreten. Die Grünen fallen mit 2,9 Prozent raus. Die Liberalen bekamen immerhin 6 Prozent. Brandenburg ist damit das einzige der neuen Bundesländer, in dem die CDU nicht zwingend an der Regierung beteiligt werden muß.

In den ersten Statements hielt sich der zukünftige Ministerpräsident Manfred Stolpe mit Aussagen zur Koalition zurück. Das Ergebnis sei eine „Inpflichtnahme“, meinte er. Das bedeute im Klartext, daß er für Brandenburg die „bestmögliche Regierung“ bilden wolle. Wichtig sei, daß die sozialdemokratischen Ziele umgesetzt werden könnten. Er nannte eine „offensive Arbeitsmarktpolitik“ als Schwerpunkt. Besonders um die Bauern, den Mittelstand und die Rentner will er sich kümmern und eine Politik machen, „die auch die Frauen nicht vergißt“.

Der CDU-Kandidat Diestel ist der deutliche Verlierer der Wahl. Er könne mit dem Ergebnis leben, meinte er gestern in einer ersten Stellungnahme, und weiter: „Ich freue mich, daß ich als Spitzenkandidat nicht versagt habe.“

Der SPD-Vize Wolfgang Thierse hat kurz vor der Wahl vorlaut seine Wunschkoalition für Brandenburg via 'Bild‘ verbreitet. Er sähe es gern, wenn in der zukünftigen Hauptstadt Brandenburgs, Potsdam, Sozialdemokraten, Liberale und das Bündnis 90 am Kabinettstisch säßen. Das Stichwort heißt Ampelkoalition. Ein Bündnis zwischen FDP, SPD und Bündnis 90 brächte eine satte Regierungsmehrheit von etwa 53 Prozent. Das Bündnis 90 hat seine Bereitschaft, mit der SPD zu regieren, bereits bekundet. Ob sie allerdings zu einer Zusammenarbeit mit den Liberalen bereit sind, bleibt abzuwarten.

Sollten sich die drei Parteien zu einer Zusammenarbeit entschließen, wäre das die erste Koalition in dieser Konstellation in der bundesrepublikanischen Geschichte. Und es wäre — abgesehen von Hamburg — das erste Mal seit der Wende in Bonn, daß SPD und Liberale wieder gemeinsam regieren.

Rot und Grün in der Brandenburger Regierung könnte auch die Chancen für die Fortsetzung des derzeitigen Regierungsbündnisses in Berlin erhöhen. Die krisengebeutelte rot- grüne Koalition bekäme von einem Ampelbündnis im umliegenden Land Brandenburg eine Vitaminspritze. Für die zukünftige Zusammenarbeit der beiden Länder wäre eine Regierung mit gleichen Farben in jedem Fall von Vorteil.

Kein Wunder, daß sich die beiden Berliner Bürgermeister Tino Schwierzina und Walter Momper über das Brandenburger Wahlergebnis gefreut haben. In einer gemeinsamen Erklärung nannten sie Stolpes Erfolg „besonders erfreulich“. Und ein bißchen habe sicher auch die Nähe Berlins eine Rolle gespielt. Zur Koalitionsfrage sind sich die beiden ebenfalls einig. Es wäre wünschenswert, wenn eine große Koalition vermieden werden könnte. Die Entscheidung müsse allerdings danach ausfallen, in welcher Koalition sozialdemokratische Inhalte weitestgehend umgesetzt werden könnten. bf