Plakate, feuerverzinkt

■ “Kunst als Widerstand“ / Wanderausstellung im Sielwallhaus

Seit Samstag hängen im Sielwallhaus 29 kriminalisierte Plakate hauptsächlich antifaschistischer Machart aus den Achtzigern, ergänzt durch einen „historischen Teil“ — Dokumente aus der Widerstandsbewegung der Zwanziger und Dreißiger. „Wir finden es toll, daß wir die Ausstellung bringen können“, erklärt auf einer Pressekonferenz am Samstag ein Mitglied der Jugendinitiative „Sielwallhaus e.V.“. Aber so sehr die Gruppe die Wanderausstellung befürwortet, völlig dahinter steht keiner. Die Ausstellung hat, beschloß die Gruppe, so vorgestellt zu werden, wie sie konzipiert wurde; es gibt kein Hinzufügen, keine Wegnahme. Basta. Aber: „Wir können die Ausstellung so kritiklos nicht stehen lassen“, sagt einer.

Beispielsweise stünden bei diesem Versuch, die linksradikalen Bewegungen des letzten Jahrzehnts zu dokumentieren, Kampagnen, Kämpfe, Meinungen im Vordergrund. Aber, so fragen sich zwei Frauen aus der Ausstellungsgruppe, „wo bleiben unsere Träume, die Gründe, weswegen wir kämpfen und wofür, unsere Utopien, unser Spaß, vielleicht sogar Ängste und Zweifel?“

Überhaupt: Frauen. Meistens sind Männer auf den Plakaten. Klischeemäßig vermummt, schwarz, Streetfighters in teilweise militaristischer Szenerie. Was völlig fehlt, kritisieren welche, sei der Eingang auf die Sichtweise und das Verständnis der „Bürger“.

1987 in Göttingen: Es häufen sich häufen sich faschistische Übergriffe auf das JUZI (Jugendzentrum). Auch Attacken auf AntifaschistInnen bleiben keine Ausnahme. Zur Gegen-Demo ruft ein Mobilisierungsplakat auf. Darauf zu sehen ein brennendes (fotomontiertes) FAP-Zentrum. Und der Titel „Wir schlagen die Faschisten!“. Der Staatsanwalt läßt nicht lange auf sich warten: „Aufruf zur Brandstiftung“, lautet die Anklage.

Dies war das erste „kriminalisierte Kunst-Plakat“. 28 weitere folgten, die nun allesamt im Sielwallhaus zu sehen sind, gesammelt von der Göttinger Linke, „um die staatlichen Repressionen gegen politische Plakate darzustellen“.

Neben den gesammelten Plakaten ist ein historischer Teil zu sehen: ein Abriß der antifaschistischen Widerstandskunst in den Zwanzigern und Dreißigern, ergänzt durch knappe KünstlerInnen-Biografien wie z.B. über George Grosz, Käthe Kollwitz, John Hartfield, Lea Grundig u.a. Dazu gibt es Manifeste, Essays und Gesprächsdokumente aus der damaligen Zeit.

Die Plakate werden begleitet von erläuternden Beschreibungen zum jeweiligen politischen Hintergrund. Beabsichtigt ist, eine kontinuierliche Linie von Repression und Verfolgung zu ziehen.

Fraglich, ob diese Plakatkunst auch wirklich dem Titelanspruch einer „Kunst“ gerecht wird. Es gibt Inhalte, und die schreien, mehr oder minder gekonnt, nach Beachtung. „Kunst — was ist das für UNS eigentlich?“ heißt es in einem Text, „ Bourgeois-Scheiße zum An-die-Wand-hängen? Müssen wir als Linke den Kunstbegriff nicht erweitern?“

Marcus Völkel

Die Ausstellung ist im Sielwallhaus, Sielwall 38, bis zum 26.10. zu besichtigen.