Zen oder die Kunst, einen Ofen zu feuern

■ Seit kurzem qualmen in Berlin wieder Hunderttausende Kohleöfen — die taz hilft beim ökologisch sinnvollen Heizprogramm

Berlin. Es liegt was in der Luft. In Berlin muß niemand auf das Kalenderblatt schauen, um den Oktoberanfang festzustellen. Die eigene Nase reicht völlig aus. Schwefelaroma kündet vom Beginn der Heizperiode. Bis Ende März drängen die Schwaden in die Hinterhöfe hinab und kreieren jene vielbesungene »Berliner Luft«. Ein Verein gleichen Namens müht sich fleißig seit einigen Wintern um Verbesserung.

In West- und Ost-Berlin gibt es noch mehrere hunderttausend Kachelöfen. Der mit dem Heizen dieser Maschinen verbundenen Mühsal des Kohlenschleppens stehen als Vorteile die weitaus billigste Heizungsart, der günstigste Energieverbrauch, durch Strahlungswärme ein gesundes Raumklima und, man lese und staune, eine relativ gute Umweltverträglichkeit gegenüber. Doch so ein Kachelofen will gehätschelt, gewienert und richtig gefeuert sein. Nur so kommen seine Fans in den Genuß wohliger Wärme und kuschliger Räusche.

Schadstoffe wie Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoff, die bei der Ofenheizung von Bedeutung sind, sind unvollständig verbrannte Brenngase, verursacht durch zu niedrige Verbrennungstemperatur oder Luftmangel. Beim Anfeuern muß der erste Gang gleich richtig hochgezogen werden, um den Feuerraum im Nu auf 800 Grad Celsius zu bringen. Das setzt Braunkohlenbriketts oder Holzscheite schnell in Brand und vermeidet einen Großteil der sonst anfallenden unverbrannten Schadstoffe. Deswegen darf auf ein halbes Kilo daumendickes Anmachholz nicht verzichtet werden.

Das zu frühe Verschließen der Ofentür bringt die Maschine ebenfalls nicht auf Touren. Die Kohlen sollen rotglühend sein, das dauert etwa 45 Minuten, dann ist die Reise abgegangen. Vorzeitiges Schließen provoziert wegen des Luftmangels neben Gestank auch militante, sprich: explosive Reaktionen des Ofens. Wer meint, die taz sei zum Kohleneinwickeln statt zum Lesen da, der erzeugt nicht nur in seinem Kopf, sondern auch im Ofen einen gefährlichen Schwelbrand. Riechbares Ergebnis ist der Gestank nach faulen Eiern.

Braunkohle ist entgegen den Horrormeldungen à la Bitterfeld für Kachelöfen ein akzeptabler Brennstoff, da diese Kohle die Eigenschaft hat, 70 Prozent des Schwefels in der Asche zu binden. Der Ärger beginnt bei falscher Bedienung oder schadhaften Öfen und wird zum Ärgernis, wenn die Braunnkohle — wie es in Berlin geschieht — in Kraftwerken bei viel zu hohen Temperaturen verbrannt wird. Dann geht nämlich sämtlicher Schwefel in die Luft.

Initiator des Vereins »Berliner Luft« ist die »Ingenieurgemeinschaft für Energietechnik«. Seit sechs Jahren beschäftigt sich die Gruppe mit ökologisch sinnvoller Heiztechnik. In ihrem kleinen Büro in der Forster Straße steht der wahrscheinlich am besten behütetste Kachelofen Berlins. Ein Gewirr von Kabeln und Rohren führt zu Meßapparaten aller Art. Es lassen sich technische und Bedienungsfehler simulieren und beobachten.

Die gewonnenen Daten werden mit Computerhilfe ausgewertet. Gestützt auf diese Untersuchungen, wollten die Ofenforscher ihre Tips für den alltäglichen Gebrauch der Wärmespender an den Mann und die Frau bringen. Parallel dazu führten sie im Auftrage des Kreuzberger Sanierungsträgers S.T.E.R.N. und später des Bezirksamtes Kreuzberg die ersten Heizberatungen durch und werteten sie für eine Studie aus.

Ergebnis: Wenn den Mietern erklärt wird, wie sie ihre Öfen technisch in Ordnung halten und korrekt bedienen, läßt sich erstens die Belastung der Umwelt erheblich verringern und zweitens eine Menge Geld sparen. Man beschloß, die Beratungen auf eine breitere Basis zu stellen, und gründete den Verein »Berliner Luft«, bildete Heizberater und -beraterinnen aus und fand im Bezirksamt Kreuzberg einen interessierten Partner. Andere Bezirke sollten sich dort vielleicht einmal informieren. Peter Huth

Berliner Luft e.V., Forster Straße 20, Berlin 36, Tel.: 6125166