Die Notopfer-Abstauber aus Berlin

■ In der Hauptstadtdiskussion schlagen die Bonner harte Töne an/ Groll landet in der Landesvertretung

Bonn. Berlin ist ein »Saftladen«, Walter Momper ein »Notopfer-Abstauber«, und die Bundessenatorin Heide Pfarr möchte doch bitte wieder nach drüben gehen, wenn es ihr »im Westen nicht paßt«. Beim Stichwort Hauptstadt kommt vielen Bonnern die viel strapazierte rheinische Fröhlichkeit abhanden. Zielscheiben für Bonner Frust sind seit Monaten alle, die sich für eine Verlagerung des Regierungssitzes nach Berlin aussprechen. Hanns Joachim Friedrichs, Tagesthemen-Moderator, der in einer Anzeigenkampagne des Senats für Berlin als Hauptstadt warb, wurde von der 'Bonner Illustrierten‘ zum »Moderator von Täglich daneben« umgetauft. Härtere Bandagen bekam Friedrich Kemna, Ex-Chefredakteur des 'Bonner Generalanzeigers‘, zu spüren. Der fand die Kündigung auf seinem Schreibtisch, weil die Verlagsleitung seine Kommentare für zu berlinfreundlich hielt (die taz berichtete). Kemna hatte es gewagt, über eine Aufteilung der Regierungsfunktionen zwischen beiden Städten laut nachzudenken.

Jeglicher Humor ist inzwischen auch der Frauschaft in der Berliner Landesvertretung in Bonn vergangen. Daß die Berlin-Aufkleber von ihren Autos regelmäßig abgerissen oder überklebt werden, findet Eva Nehrenheim, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, »noch vergleichsweise zivil«. Anrufer, die sich einer »terroristischen Vereinigung für Bonn als Haupstadt« anschließen wollen, schreibt sie der völlig emotionalisierten Debatte am Rhein zu. In Kneipen könne sie mittlerweile kein Bier mehr in Ruhe trinken und schon gar kein normales Gespräch mehr führen, ohne bei der Hauptstadtdebatte zu enden. »Meistens heißt es dann, wir seien großkotzig und arrogant.« In solchen Situationen verweise sie dann auf die noch ausstehende Entscheidung des gesamtdeutschen Parlaments, »und so ziehe ich mich dann staatsfrauisch raus«.

Von ähnlichen Erfahrungen weiß auch Regina Zylka, Pressesprecherin der Bundesenatorin, zu berichten. Zwar riefen in der Landesvertretung ab und an auch Leute an, »die mal einen netten Satz sagen«. Doch in der Regel werde man angemacht, »als sei man Berlin persönlich«. Zylka vermutet hinter der geladenen Anti-Berlin-Stimmung mehr als nur die Furcht um die Hauptstadtpfründe. »Da kommt viel Aversion gegen die Vereinigung zum Vorschein« — weniger aus politischen als aus finanziellen Gründen. Außerdem, so Zylka, darf nun endlich auf Berlin geschimpft werden, was zu Zeiten der Mauer aus ideologischen Gründen tabu war.

Mit scharfem Blick für Volkes Stimme hatte nun auch der Bundestagsabgeordnete Horst Ehmke (SPD) seinen Wahlkampf in Bonn eröffnet. Sein Slogan lautet: »Ja zu Bonn, ja zu Ehmke«. anb