Der polnische Kapitalmarkt soll sauber bleiben

Nächstes Jahr wird die neue Börse eröffnet/ Ein rigides Börsengesetz soll Spekulation, feindliche Übernahmen und Insidergeschäfte unmöglich machen  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Polen wird nächstes Jahr eine Börse bekommen, und voraussichtlich wird dieses Symbol des Kapitalismus ausgerechnet in einem Gebäude eingerichtet, das bisher als Denkmal des Kommunismus galt, in dem ironisch „Weißes Haus“ genannten Gebäude des Zentralkomitees der seit Januar aufgelösten PVAP. Das Finanzministerium hat nun in Zusammenarbeit mit zahlreichen ausländischen Experten einen Entwurf für ein Börsengesetz vorgelegt, der in wenigen Wochen vom Parlament behandelt werden soll. Er regelt nicht nur den Börsenbetrieb, sondern auch die Zulassung zur Börse, sowohl was Wertpapiere als auch was Makler angeht.

Wie bereits bei der Privatisierung, so ist auch hierbei die Angst vor Ausverkauf und Spekulation Pate gestanden. Bereits im Privatisierungsgesetz ist eine behördliche Genehmigung für ausländische Aktienkäufe von mehr als zehn Prozent des Stammkapitals vorgesehen. Nun ist auch klar, wie dies im freien Handel nach der Erstemission, auf dem sogenannten „secondary market“ kontrolliert werden soll: Die an der Börse notierten Firmen müssen nach jeder Hauptversammlung nicht nur der Wertpapierkommission, sondern auch der Öffentlichkeit in der Presse alle Aktieninhaber mit einem Paket von mindestens zehn Prozent bekanntgeben.

Erwirbt ein Ausländer — ab zehn Prozent nur mit Genehmigung der Agentur für Auslandsinvestitionen — einen Anteil von mindestens zwanzig Prozent, kommen er und der ganze Betrieb in den Genuß der Steuervergünstigungen des Joint-venture-Gesetzes.

Feindliche Übernahmen, heimliche Aufkäufe polnischer Betriebe durch ausländische Konzerne, sollen mit ähnlichen Bestimmungen von vorneherein verhindert werden: Wer zehn Prozent oder mehr Aktien einer Firma im Laufe eines Jahres erwerben will, darf dies nur über eine öffentliche Ausschreibung tun, bei der er Preis, Anzahl der zu erwerbenden Aktien und die damit verbundene Absicht preisgeben muß. Wer mehr als fünfzig Prozent voll stimmberechtigter Aktien einer Firma erworben hat, muß — noch bevor er irgendwelche sich daraus ergebenden Rechte ausüben kann — ein Angebot zum gleichen Preis für den Rest machen. Dazuhin schreibt das jetzige Joint-venture-Gesetz fest, daß ausländische Partner nur dann Anteile an polnischen Betrieben erwerben dürfen, wenn dadurch deren Kapital zusätzlich erhöht wird.

Spekulationsgeschäfte und Betrügereien sollen durch eine Börsenzugangskontrolle verhindert werden. Allerdings kann die Wertpapierkommission, die direkt dem Premier untersteht, erst frühestens zwei Jahre nach Errichtung der Börse Ablehnungen aussprechen. Aktien privatisierter Staatsbetriebe dürfen auch dann nicht abgelehnt werden. Die ersten zwei Jahre gilt also das Motto: Wer kann, der darf. Angesichts der umfangreichen Kontrollmechanismen gegen Mißbräuche, Spekulation und Ausverkauf ein höchst überraschender Schuß Liberalität, der wohl damit zu erklären ist, daß die Autoren des Börsengesetzes befürchten, sonst keinen wirklichen Aktienmarkt zustande bringen zu können in so kurzer Zeit. Theoretisch können demnach auch ausländische Unternehmen an die Warschauer Börse, praktisch ist dies allerdings bürokratisch erschwert durch Bestimmungen des Joint-venture-Gesetzes, nach denen Änderungen der Eigentumsverhältnisse dieser Betriebe genehmigungspflichtig sind. Allerdings wird das derzeit noch gültige Joint-venture-Gesetz bereits von den zuständigen Ministerien überarbeitet. In dem neuen Börsengesetz werden auch erstmals gesetzliche Regelungen für Maklerbüros, Investmentfonds und Anlageberater enthalten sein. Letztere benötigen eine ähnliche Konzession wie Börsenmakler, die ebenfalls von der Wertpapierkommission erteilt wird, der Vorstand von Investmentgesellschaften muß mehrheitlich aus konzessionierten Maklern bestehen. Die Makler wiederum werden in einer Kammer mit Pflichtmitgliedschaft organisiert. Sowohl Maklerfirmen als auch Fonds können Joint-ventures sein, allerdings ist ihre Aktivität aufgrund des Devisengesetzes auf Polen beschränkt. Für Anlagen im Ausland ist die Zustimmung des Finanzministers erforderlich. Maklerfirmen dürfen untereinander nicht verflochten sein, für Verstöße werden Freiheitsstrafen angedroht. Ähnlich rigorose Bestimmungen gibt es gegen Strohmänner- oder Insidergeschäfte.