Between wrong and wrong

■ Johann Galtung plädiert für eine internationale Nahostkonferenz DOKUMENTATION

Saddam Hussein hat eine internationale Konferenz als Lösungsansatz akzeptiert, die westlichen Supermächte, besonders die Vereinigten Staaten und Großbritannien haben Nein gesagt. Damit hat Hussein schon einen moralischen Sieg davongetragen. Ich finde, daß der Hussein ein grausamer, gewalttätiger Mensch ist. Ich finde es grausam, daß er auf diese Weise die erste Runde gewonnen hat. Ich finde, es ist eine Schande, daß der Westen nicht bereit ist, Verhandlungen einzuleiten.

Gastgeber für diese Verhandlungen müssen bestimmt die Vereinten Nationen sein. Es ist außerordentlich wichtig, daß die Sowjetunion bereit ist, daran teilzunehmen. Wahrscheinlich werden die Vereinigten Staaten und Israel nicht daran teilnehmen. Ich würde sagen, dann macht man die Konferenz ohne diejenigen, die nicht teilnehmen. Es ist keine Bedingung, daß alle teilnehmen. Es ist außerordentlich wichtig, daß man Verhandlungen versucht.

Die Sanktionen wird man fortsetzen. Die Reaktion der Vereinten Nationen war richtig. Aber ich glaube nicht, daß die Sanktionen materiell eine große Wirkung haben werden. Selbstversorgung ist relativ einfach, wenn man ein so großes Land hat. Bei der Frage nach der Länge der Verhandlungen könnte man ruhig mit fünf Jahren rechnen. Es wird keine unmittelbaren Lösungen geben. Also muß man Geduld haben. Ich kenne ganz viele Araber, die sagen: Wir haben fünfhundert Jahre gewartet, also könnten wir vielleicht noch fünf Jahre warten. Geduld ist es nicht, was man in den Vereinigten Staaten hat.

Was könnte man als Verhandlungsresultat betrachten? Iraks unprovozierten, illegitimen Überfall auf Kuwait wird man nicht herausisolieren können von der ganzen Sache und erfolgreich darauf insistieren, nur darüber zu reden.

Es gibt drei Besetzungen in dem Gebiet. Iraks Besetzung von Kuwait, Syriens teilweise Besetzung des Libanon und Israels Besetzung von West-Bank und Gaza und Ostjerusalem. Ich glaube, es macht überhaupt keinen Sinn, nur eine davon zu betrachten. Man muß etwas ganz klar sagen: Fast alle Grenzen im arabischen Gebiet sind nicht von Arabern gezogen. Sie sind von uns, im Westen, gemacht. Auf der Tagesordnung dieser Konferenz steht auch das kurdische Problem. (..) Und die fünf Mächte, die die Kurden unterdrückt haben, müssen verstehen, daß auch sie dort auf der Anklagebank sitzen werden.

Es gibt in der Konflikttheorie eine ganz, optimistische These. Je komplexer der Konflikt, je möglicher die Lösung. Warum? Weil man einen Streitapfel gegen einen anderen austauschen kann. Man kann auch multilaterale Lösungen haben. A gibt B etwas, B gibt C etwas und C gibt A etwas. Um das zu tun, braucht man eine Konferenz mit komplizierten Tischen und ganz komplizierten Gehirnen, die sehr viel Geduld haben.

Also sagt man dann das folgende: Eine Besetzung mit der anderen, oder vielleicht mit der dritten, auszutauschen. Denn Assad steht auch mit schmutzigen Händen da, aber die schmutzigsten Hände haben die Westmächte.(..)

Nehmen wir an, man versucht Saddam Hussein zu ermorden. Was wird das bringen? Ich glaube nicht, daß alles von Hussein abhängig ist. (..)

Bei Verhandlungen könnte etwas Gutes herauskommen. Es könnte sein, daß Saddam Hussein als ein Katalysator, als ein Auslöser für eine Lösung funktioniert. Ist man dazu bereit, ihm diese Rolle zuzugestehen? Selbstverständlich ist man das nicht.

Wir haben die Möglichkeit eine dauerhafte Lösung zu finden. Was für Lösungen könnte man sich in Kuwait vorstellen?

Eine Voraussage: Der Emir kommt als Emir nicht zurück. Er ist nicht als Mensch tot, aber sein System ist tot. Es gibt keine Sympathien für sein System im größten Teil der Welt. Er war eingesetzt von den Westmächten. Kuwait ist trotzdem kein Kunstbegriff; es gab Kuwait vor dem Jahre 1961. Und ich bin nicht mit Saddam Hussein einverstanden, wenn er versucht, Legitimität zu finden, indem er sagt, daß Kuwait ein Teil der ottomanischen Provinz von Basra war. Ich glaube, daß die Legitimität für Hussein in einem anderen Bereich zu suchen ist, im panarabischen.

Also Kuwait als Nation und Irak als Nation so ernst zunehmen, ist westlich. Ich glaube auch nicht, daß Hussein argumentieren kann, mit der 19. Provinz als etwas für die Ewigkeit. Mittlerweile könnte man sagen, daß eine kuwaitische Lösung wäre: Autonomie für Kuwait. Alle, die weggetrieben waren und Kuwaitis sind, kehren zurück. Der Emir steht zur Verfügung für demokratische Wahlen, und die autonome Provinz könnte sich vielleicht als ein Monte Carlo in Frankreich betrachten. Es ist eine Frage von Flaggen. Daß es parallel eine irakische und eine kuwaitische Flagge gibt. (..) Darüber kann man zwei Jahre diskutieren. Es wäre also die Flaggentopographie. Ich glaube, das wäre besser, als zum Beispiel 300.000 Leute zu töten.

Ich glaube nicht, daß Hussein selber einen Krieg wünscht. Ich glaube auch nicht, daß er die Strategie hatte, Saudi-Arabien anzugreifen. Ich glaube, daß es seine Strategie war, mit der Besetzung Kuwaits eine Ringwirkung in anderen arabischen Ländern auszulösen. (..) Wenn Amerika angreift, wird Irak unmittelbar Israel angreifen, so daß Israel sich nicht in der Warteschleife halten kann unter dem Slogan „let the US do the job“. Ist es dann möglich für eine arabische Regierung, auf der Seite Israels zu kämpfen? Vielleicht, aber wird diese Regierung nicht lange überleben. Also hierin besteht die Strategie Husseins. Die Vereinigten Staaten haben das erste Mal seit Vietnam einen Gegner gefunden. Das war nicht Ghaddafi, es war bestimmt nicht der Noriega. Es waren bestimmt nicht diese Verbrecher, die Mörder von Bishop in Grenada. Jetzt erst haben die Amerikaner ein Problem.

Genau, weil sie ein Problem haben, muß man also Verhandlungsmöglichkeiten anbieten. Ich sehe die Möglichkeit, daß man Besetzungen durch Besetzungen austauschen kann. Irak muß sich bereits erklären, sich Sachen anhören, die es nicht gerne hört. Die Vergasung von Kurden ist ein Grund, warum ich diesen Mann außerordentlich widerlich finde.

Aber ich habe überhaupt keine Sympathie für einen George Bush, der am 20. Dezember vorigen Jahres mit 27.000 Soldaten wenigstens 4.000 Zivilisten getötet hat. Ich glaube, es geht eigentlich nicht so sehr ums Öl. Selbstverständlich ist es wahr, daß Irak und Kuwait zusammen für 19 Prozent der Weltproduktion verantwortlich sind. Aber für die USA sind es nur 8 Prozent, die vom Irak und aus Kuwait kommen. Für Japan 16 Prozent, für Westeuropa 14 Prozent. Vielleicht möchte Bush auch gerne das Öl für Westeuropa und Japan kontrollieren?

Ich habe keine Sympathie für Großbritannien und Frankreich. Nachdem die Araber mit Frankreich und Großbritannien zusammen gekämpft hatten gegen die Ottomanen, kamen die Verräter von der westlichen Welt und haben diese Gebiete aufgeteilt. Irak und Palästina für Großbritannien, Syrien und Libanon für Frankreich. Also, bitte, westliche Länder, kein Moralismus! Was wir heute hier haben, heißt auf amerikanisch „a conflict between wrong and wrong“. Es ist kein „conflict between right and right“. Für mich ist ein Beispiel eines „conflict between right and right“ der Konflitk zwischen Israel und Palästina. Ich gehöre zu denen, die sagen, daß die Zweistaatenlösung die einzige mögliche ist, weil die Palästinenser dazu berechtigt sind, Staat und Sicherheit auf diesem Boden zu finden. (..)

So sehr die Israelis gerne Sicherheit erreichen möchten, so geht das nur mit den Palästinensern. Das ist die einzige Möglichkeit.

Was Israel tut, ist nicht Rassismus sondern Kolonialismus. Mit Kolonialismus schafft man sich keine Sicherheit. Die Palästinenser haben ein Angebot gemacht. Und es wäre das beste für Israel, es anzunehmen. Hussein steht in dieser Frage auf der richtigen Seite. Johann Galtung

Der Autor ist Friedens- und Konfliktforscher in Oslo. Den Vortrag hielt er bei der IPPNW-Tagung in Bonn am 6. Oktober. (Die Tonbandabschrift ist gekürzt.)