Kultur und AttEnTAT

■ Scherfs neue Kulturpolitik: altes Drama, neue Ziele / Noch ist nichts gegessen

Das Ifo-Gutachten über „Kulturfinanzierung in Bremen“, das Kultursenator Hennig Scherf in Auftrag gab und jetzt vorstellte, faßt stadtstaatsbekannte Dramatik in Statistik und spitzt sie zu durch Vergleich: Bremens Kulturfinanzierung hat sich von der Entwicklung der BRD abgekoppelt.

Insgesamt wuchsen die Kulturetats in den 80ern über die Rate der Gesamthaushalte hinaus, in Bremen schrumpften sie. Seit 1980 ist ein realer Rückgang der öffentlich finanzierten kulturellen Leistungen dokumentiert.

Und so wie es der ehemalige Senator Franke in den ausdürrenden Kunstwald hineinrief, schallt es unter seinem Nachfolger aus den Unternehmensvertretern wieder heraus. 30 von Hundert bewerten den „Imagewert der Region“ „negativ“ oder „sehr negativ“, Ziemlich genau so viel, wie die Theater und das Orchester Bremens „negativ“ bis „sehr negativ“ beurteilen.

Neu an diesem Gutachten sind nicht so sehr die Daten. Daß die Bremer Kultur von 1,5 Prozent des Gesamtbudgets (1980) auf 1 Prozent (1986) heruntergespart wurde — „nominal“, d.h. Kaufkraftverfall nicht gerechnet — steht schon im „Bremer Kulturplan“ des Senator Franke von 1987.

Neu ist nur, daß sein Nachfolger die Zahlen öffentlich so dramatisch macht, wie sie sind. Neu ist, daß das Echo der kulturellen Verödung bei Unternehmen ein Faktor in der Wahrnehmungsskala sozialdemokratischer Kulturpolitik geworden ist; Unternehmer waren bislang meist Ziel senatorialer Beschuldigungen, wegen mäzenatischer Abstinenz.

Neu ist vor allem, daß Henning Scherf die Verlängerung des Jammertales bis 1995 nicht mehr für das Optimum des Erreichbaren hält.

Frankes „Bremer Plan“ sah nämlich eine „Steigerung“ des Kulturetats von 70 Mio. 1987 auf 90 Mio. im Jahre 1995 vor, ziemlich exakt die Zementierung des hergestellten Kahlschrumpfens, verschönt durch einige hundert ABM-Stellen. Scherf plant demgegenüber, den Etat durch jährlich wachsende Zuwachsraten bis 1995 auf knapp 160 Mio. zu steigern, d.h. numerisch fast zu verdoppeln. Neu ist, daß des Senators Zielplanung die Dramatik der realen Situation sieht, die mit der Kultur auch die ökonomische Überlebensfähigkeit des Stadtstaats stranguliert.

Nur: bis jetzt ist es nicht mehr als ein Ziel von Hennig Scherf. Sein Vorgänger hat schon den zementierten Jammer von 90 Mio. nicht vom Senat abgesegnet gekriegt. Und Scherfs Initiative für eine erste Budgetsteigerung um 5 Mio. für 1991 stieß auf das Njet der Haushaltsdeputation. Sollten Deputation und Senat von Scherfs Plänen das bekannte gutgemeinte Gerede übriglassen, kündigen wir schon mal — der Sorgfaltspflicht genügend — ein Attentat an. Uta Stolle