Winterzelte für Junkies nötig

■ AK-Drogen will nur noch gezielt helfen / Sozialbehörde in der Pflicht

Mindestens zwanzigmal rüttelt es an der mit dickem Holz verschalten Tür in der Weberstraße im Ostertor. Immer wieder werden gebrauchte Spritzen durch die Klappe hereingereicht, werden sie gegen neue Kanülen ausgetauscht. Immer wieder müssen sich die Leute draußen vor der Tür anhören: „Nein, es ist geschlossen. Nein, Kaffee gibt es auch nicht.“ Die Tür bleibt geschlossen, die Junkies draußen. Kaffetrinken, aufwärmen, hinsetzen, ausruhen ist nicht drin. Drinnen hat der „Verein für akzeptierende Drogenpolitik“ (AK- Drogen) zur Pressekonferenz in seinen Kontaktladen in der Weberstraße eingeladen.

Vier Wochen haben die MitarbeiterInnen in Klausur gesessen, um zu beraten, mit welcher Strategie sie mit ihrer Drogenarbeit in den Winter gehen. Daß sie ihren Laden nicht wieder wie im vergangenen Jahr für obdachlose Junkies öffnen werden, war dabei von Anfang an klar. Beschlossen hat das Team des AK-Drogen jetzt: Statt Massenversorgung wird es künftig nur noch gezielte Einzelfallhilfe geben.

Jeder Junkie, der mit einem konkreten Anliegen kommt (sei Spritzentausch, Wundversorgung oder Beratung), wird im Kontaktladen entsprechend versorgt. Aufwärmstube oder Ersatzwohnraum könne der Kontaktladen nicht mehr sein: „Unter den Bedingungen machen wir sonst nur Elendsverwaltung“, betont Raymund Suckland vom AK- Drogen. Der Verein könne nicht immer dafür stehen, daß die Standards für Drogenpolitik permanent gesenkt würden. Natürlich würden mit dem Beschluß, die Türen nur noch gezielt zu öffnen, die Verelendetsten noch weiter durch das Betreuungsnetz fallen. „Wir geben die Probleme aber jetzt weiter an die, die es zu verantworten haben“, sagt Suckland achselzuckend dazu.

Konkret ist dies die Sozialbehörde, die keines ihrer Versprechen zur Entspannung der Situation bisher gehalten hat: Das Übernachtungshaus des AK-Drogen in der Roonstraße ist von Anfang an überfüllt. Die Sozialbehörde hat weder das versprochene Entlastungshaus geschaffen, noch irgendein Zimmer für einen der Roonstraßenbewohner vermittelt. Damit konnte der Beschluß des Beirates vom April, das Haus zu einem Wohnprojekt für höchstens 10 Leute umzuwandeln, auch noch nicht umgesetzt werden.

Trotzdem will der Verein bis zum Winter die vereinbarte Belegungszahl erreichen: Indem er am absoluten Aufnahmestopp festhält und die monatlichen 1 bis 2 „Abgänge“ in Knast oder Therapie nicht ersetzt. Fest vereinbaren will der AK-Drogen mit der Sozialbehörde außerdem, daß sie bis zum Winter eine BewohnerIn pro Woche auf dem Wohnungsmarkt unterbringt. Daß dies grundsätzlich möglich sei, belege die geglückte Wohnraum-Vermittlung an Aussiedler und Asylbewerber der vergangenen Monate.

Da mittlerweile außer den 50-60 obdachlosen Junkies, die den Beratungsstellen bekannt sind, mit weiteren 40-50 zu rechnen ist, fordert der Verein außerdem: Das Aufstellen von Wohncontainern und beheizten Zelten und das Öffnen von Bunkern für den Winter, um das Überleben von drogenabhängigen Menschen und anderen von Obdachlosigkeit betroffenen Gruppen nicht zu gefährden.

ra