„Sterben müssen wir alle“

■ Pro Senectute will „Sterbehospiz“ in Bremen / Menschenwürde: Wünsche der Sterbenden anerkennen

“Ich will nicht mehr leben.“ Wenn das alte oder kranke Menschen sagen, dann heißt das meistens: Ich will so nicht mehr leben: mit zermürbenden Schmerzen. Auf Intensivstationen, rundumversorgt mit einer Medizin, die Leben um jeden Preis erhalten will. Im Altenheim oder oder abhängig von Angehörigen, die selbst nicht mehr können. Oder von Pflegepersonal, das keine Zeit hat, dem Sterbenden einen letzten Wunsch zu erfüllen in Kliniken, wo Angehörige hilflos ihren Platz suchen.

Bei 'Pro Senectute', der Bremer „Gesellschaft für würdiges Leben und Sterben im Alter“, gibt es eine Initiative, die ein Hospiz gründen will: ein Haus, in dem Sterbenden alle Wünsche erfüllt werden — bis hin zum Hund neben dem Krankenbett. Mit der umstrittenen aktiven Sterbehilfe hat das nichts zu tun.

Im Hospiz soll eine wohnliche Atmosphäre herrschen. Die Menschen können sich dort, so weit es in ihrer Macht steht, ihren Alltag gestalten, und auch die Angehörigen können je nach ihren Möglichkeiten dabei mitwirken. Pflegende Angehörige, meistens Töchter oder Schwiegertöchter und ganze Familien, leiden unter der Belastung einer Pflege und werden dabei manchmal selbst krank. Wenn sie dann ihre Angehörige ins Altenheim „stecken“, haben sie zeitlebens ein schlechtem Gewissen. Im Hospiz können sie dabei sein, soweit es in ihren Möglichkeiten steht. Und der Kontakt zu anderen Angehörigen hilft ihnen auch, den Abschied zu verarbeiten. Wer zu Hause pflegen will, erhält von der Hospizgruppe Unterstützung.

Eine Gruppe von Krankenschwestern, die die Unnmöglichkeit des menschlichen Sterbens an ihrem Arbeitplatz erfahren hatte, tat sich vor rund drei Jahren zusammen. Inzwischen ist sie erweitert um andere Berufe unnd ehrenamtliche „StebebegleiterInnen“. Für ein Hospiz, erstmal mit acht oder zehn Betten, braucht die Hospizgruppe Geld. Rosemarie Holm, Krankenschwester und jetzt Leiterin der Wirtschaftsbetriebe im St.Jürgen-Krankenhaus: „Für die Menschen, die auf die Welt kommen, wird so viel getan. Aber an die Sterbenden denkt keiner.“ Läge es nicht nahe, das Sterben in den Kliniken menschlicher zu gestalten? Frau Holm: „Wir wollen vieles verändern, auch im Krankenhaus. Aber die Strukturen sind da nicht so geeignet. Daran können auch engagierte Krankenschwestern nichts ändern.“

Menschenwürdig sterben, das heißt für die Hospizbewegung auch: Eine optimale Schmerztherapie. Das ist eine medizinische Kunst. Viele Ärzte kennen sich damit nicht aus, dürfen aufgrund des Betäubungsmittelgesetzes nicht alles verordnen und halten auch bei Sterbenden an dem Grundsatz fest, daß keine Sucht, Medikamentenabhängigkeit entstehen darf. Das führt dazu, daß PatientInnen sich entweder mit Schmerzen quälen müssen oder Mittel erhalten, die so einschläfernd wirken, daß sie den Rest ihres Lebens nicht mehr bei vollem Bewußtsein erleben können.

Beispiele im Ausland und vereinzelt auch in der Bundesepublik zeigen, daß Sterben menschlicher gestaltet werden kann. Frau Holm: „Vielleicht findet sich jemand, der sagt: Für diese Idee gebe ich mein eigenes Haus.“ Aber auch die Hoffnung auf öffentliche Gelder hat sie noch nicht aufgeben: „Wir möchten, daß sich einmal die veschiedenen Parteien und die Kirchen einig sind. Denn sterben müssen wir ja alle.“ Beate Ramm

Zum Thema Hospiz veranstaltet Pro Senectute, Erlenstraße 76, Telefon 591200, eine Vortragsreihe in der Stadtwaage, Langenstraße. Erster Termin: 31. Oktober, 15.30 Uhr: Rosemarie Holm, „Die Hospizbewegung in Bremen“. Am 19. Oktober um 19 Uhr findet in der Sparkasse am Brill ein Benefizkonzert zugunsten der Hospizbewegung statt. Es spielt das Norddeutsche Salonorchster.