: CDU bangt um die Stimmen der Bauern
■ GATT-Unterhändler der USA geht davon aus, daß sich die EG nach den Wahlen in Deutschland flexibler zeigen kann
Genf (taz) — Im GATT-Streit um Agrarsubventionen gerät die EG zunehmend in die Isolation. Die USA und die vorwiegend aus „Drittwelt“-Staaten bestehende „Cairns“-Gruppe unter Führung Australiens hatten fristgerecht bis Montag abend ihre Vorschläge für den Subventionsabbau beim Genfer Sekretariat des „Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens“ (GATT) eingereicht. Sie stimmen in den Punkten überein, in denen es Kontroversen gibt mit der EG. Seit Montag ringen die EG-Agrarminister in Luxemburg um eine gemeinsame Haltung. Morgen sollen die EG-Vorschläge für Genf von den Handels- und Wirtschaftsministern sowie den Außenministern der Gemeinschaft formal beschlossen werden.
Wie schon in der vergangenen Woche bekannt wurde, sieht der US- Vorschlag in den zehn Jahren ab 1991/92 die Kürzung interner Agrarsubventionen um 75 Prozent sowie der Exportbeihilfen um 90 Prozent vor. Der Vorschlag der „Cairns“- Gruppe enthält dieselben Zahlen. Zu dieser Gruppe gehören neben Australien, Argentinien, Brasilien, Chile, Indien, Kolumbien, Malaysia, Neu Seeland, Philippinen, Thailand, Ungarn und Uruguay. Der von Kanada eingereichte Vorschlag verlangt sogar die völlige Streichung von Exportbehilfen, bleibt bei den internen Agrarsubentionen allerdings unterhalb der 75-Prozent-Marke.
Die Regierungen der zwölf EG- Staaten hatten sich bislang nicht einmal auf die von der Brüssler EG- Kommisison vorgeschlagene 30prozentige Reduzierung interner Subentionen innerhalb von fünf Jahren verständigen können. Sollte sich die EG jedoch auf den 30-Prozent-Vorschlag über fünf Jahre einigen, lägen Washington und Brüssel, zumindest was die Zahlen betrifft, nicht mehr soweit auseinander. Laut US-Vorschlag sollen die Kürzungen in jährlichen Schritten von 7,5 Prozent erfolgen. Damit wäre man nach fünf Jahren bei 37,5 Prozenten angelangt. Ein hohes Mitglied der US-Verhandlungsdelegation, der namentlich nicht genannt werden wollte, meinte allerdings am Montag abend in Genf, ein nur über fünf Jahre laufendes Kürzungsprogramm sei „keine ernsthafte Reform“. Auch die EG müsse sich „für einen längeren Zeitraum“ auf einen Subventionsabbau festlegen.
Als „ein Entgegenkommen an die EG“ bezeichnete der US-Unterhändler den Vorschlag Washingtons, wonach Ausgleichszahlungen an Bauern im Falle eines — zum Beispiel durch plötzliche Währungsschwankungen bedingten — Preisverfalls weiterhin erlaubt sein sollen. Gegen Maßnahmen, die „nicht zu Handelsverzerrungen führen“ hätten die USA nichts einzuwenden. Mittels derartiger Maßnahmen könnte möglicherweise ein Kompromiß erreicht werden. Der für Agrarfragen zuständige irische EG-Kommissar Ray Mac Sharry hat inzwischen Vorschläge der Kommission angekündigt zum Ausgleich der durch Subventionsabbau drohenden Einkommensverluste für die rund zehn Millionen Bauern in der EG.
Zur Äußerung des bundesdeutschen Landwirtschaftsministers Kiechle, er ziehe ein „Scheitern der GATT-Verhandlungen“ dem „Sterben von 70.000 deutschen Bauern vor“, erklärte der US-Unterhändler: „Ein Scheitern der GATT-Verhandlungen liegt langfristig weder im Interesse der Deutschen noch der EG“. Er ließ durchblicken, daß in Washington nach den deutschen Bundestagswahlen am 2. Dezember, bei denen die Bauern ein wichtiges Klientel für die CDU/CSU darstellen, mit einer flexibleren Haltung gerechnet wird.
Bereits in der letzten Woche hatte eine Mitglied der Bush-Administration in Washington Andeutungen gemacht, wonach Bundeskanzler Kohl US-Präsident Bush entsprechende Zusagen gemacht hat.
„Ein Ergebnis ohne Detailvereinbarungen wäre bedeutungslos.“ Mit dieser Bemerkung reagierte der US- Unterhändler auf Überlegungen innerhalb der EG, sich bei der für Anfang Dezember in Brüssel vorgesehenen abschließenden GATT-Ministerrunde lediglich mit einem Rahmenabkommen ohne die Festlegung konkreter Zahlen und Fristen zufrieden zu geben. Entsprechende Überlegungen waren am Rande des informellen Treffens der Handelsminister Japans, der USA, Kanadas und der EG am Wochenende in Neufundland von EG-Kommissar Frans Andriessen geäußert worden.
Der US-Unterhändler lehnte unter Verweis auf das der Regierung Bush vom US-Kongreß nur bis Ende März 1991 gewährte GATT-Verhandlungsmandat auch eine Verlängerung der Verhandlungen über den Dezember-Termin hinaus entschieden ab. Andreas Zumach
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