STANDBILD
: Tod eines Schmalfilmers

■ "Das Glück sei Unbeweglichkeit", Di., 22.40 Uhr, ZDF

Wohin die lückenlose audiovisuelle Dokumentation einer Kindheit führt, wissen wir seit „Peeping Tom“. Kirsten Johannsen ging es jedoch nicht ums Pathologische, um die Ausfälle. Das Motiv eines verstorbenen Schmalfilmers, Familienvaters und Betreibers eines Partyservices soll erforscht werden, das Motiv einer Dokumentationssucht, mit der der Filmer die Familie, vorzugsweise seine drei Töchter, wie ein Zelluloid-Diktator vor die Super-8-Kamera zitierte.

Am Grab hält der Pfarrer diese salbungsvolle Rede, die spotlichtartige, verlogene Rekonstruktion eines Lebens, die durch mäßige schauspielerische Darbietung noch unerträglicher wird. In demonstrativ zwanglosen Redesituationen palavern die drei Töchter, einer ihrer Ehemänner sowie die betrogene Ehefrau und die Geliebte des „ersten Schmalfilmers unserer Gemeinde“ über die Vergangenheit.

Durch die gnadenlose Schärfe des elektronischen Videobildes erscheinen die Sets mitunter so steril wie Dieter Kürten im „Aktuellen Sportstudio“. Ähnlich plakativ wirken die Charakterisierungen. Die älteste ist die gesetzte Karrierefrau, die den Laden übernimmt. Die mittlere hat den prolmäßigen Dorffreund geheiratet und versucht sich mit Gott und Tabletten über die Runden zu retten. Die jüngste arbeitet sich an Vaters Desinteresse ab und wird entsprechend Fotografin. Die geschiedene Ehefrau ist stolz darauf, es doch alleine geschafft zu haben, und die Geliebte glaubt an ein Wiedersehen nach dem Tod. Zutreffend wie ein Abzählreim.

Das konstruierte, altmeisterliche Psychologisieren, das durch die theaterhafte, fast didaktische Darstellungsweise aller Akteure noch hervorgekehrt wird, wirkt steif, zuweilen regelrecht einfältig. Der Bruch zu den zwischenmontierten Super-8-Filmen wird weder formal noch inhaltlich eingeholt. Die für sich genommen tatsächlich interessanten home-movies, die allein durch die Körnung des Filmmaterials sowie die durch die Kamera vorgegebene Benutzungsweise eine interessante Atmosphäre erzeugen, werden regelrecht totgequatscht. Der Blick auf diese Zeitdokumente bleibt sehr eng.

Wenn man böse wäre, könnte man sagen, daß der ganze Film nicht über das Konzept dieser Home-movies, die er untersucht, hinauskommt. Es sei hier nur an die Sensibilität eines Derek Jarman erinnert, der in „The last of England“ ebenfalls die geerbten home-movies seines verstorbenen Vaters als roten Faden in seinen Film einarbeitete.

Es tut mir beinahe leid, das Ding in Bausch und Bogen zu verreißen. Doch der naive, statische Umgang mit dem Medium ohne eine Spur von Selbstironie, Selbstparodie oder sonstigen Brechungen führt zu nichts. Das Ganze wirkt wie ein Museumsstück, wie ein Film aus der APO- Zeit, als der noch nicht durch die Erfahrung der Medien gebrochene Glaube an die Objektivität der Methode noch Berge und Wahrheiten (ver-) setzte. Manfred Riepe