Morde als Liebesbeweise

■ Gespräch mit Shirley Stoler, die in „Honeymoon Killers“ eine eifersüchtige Mörderin spielt

Eigentlich wäre Shirley Stoler gerne Opernsängerin geworden, doch dazu reichte das Geld nicht. Dann wurde sie vom Living Theatre entdeckt, schloß sich später der Theatergruppe La MaMa an, mit der sie auch auf Europatournee ging. In Paris blieb sie hängen, spielte Theater, sang in Nachtclubs oder gab Englischunterricht. Zurück in New York, bekam sie die Hauptrolle in „Honeymoon Killers“, einem Film über ein mordendes Liebespaar, Ray und Martha, das Ende der vierziger Jahre die USA unsicher machten und auf dem elektrischen Stuhl endeten. Shirley Stoler spielt Martha. Der Film läuft seit vergangener Woche auch in unseren Kinos.

taz: Spielen Sie noch Theater?

Shirley Stoler: Seit einiger Zeit nicht mehr. Ich ziehe die Arbeit vor der Kamera vor, weil sie in die verborgendsten Ecken der Persönlichkeit eindringen kann. Die Darstellung auf der Bühne verlangt eine Vergrößerung, die immer auch Verdrehung ist. Vor der Kamera kann man sich verhalten wie zu Hause. Die Filmarbeit kann viel ehrlicher sein als die Theaterarbeit.

Stört es Sie, immer schurkige Frauen zu spielen?

Es macht mir Spaß, weil es mir die Chance gibt, emotionale Muskeln zu zeigen, die ich im richtigen Leben nicht habe. Es war für mich eine große Entdeckung festzustellen, daß ich in der Lage bin, intensiv Zorn und Gewalttätigkeit auszuagieren.

Muß man solche Seiten in sich haben, um sie darstellen zu können?

Ich glaube nicht, man braucht nur eine starke Vorstellungskraft. Es gibt Schauspieltheorien, die verlangen eine sogenannte Gefühlserinnerung. Ich halte das für eine furchtbare Verzerrung. Ich gehe beim Schauspielen von einer weißen Leinwand aus und male mit meinen Sinnen und mit meinem Verstand.

Um eine Krankenschwester zu spielen, gehen Sie also nicht ins Krankenhaus und beobachten dort das Pflegepersonal?

In einer Seifenoper habe ich einmal eine Epileptikerin gespielt. Ich war noch nie einer solchen begegnet. Dabei mußte ich einen epileptischen Anfall darstellen. Es war absolut authentisch. Wenn ich etwas sehe, wissen meine Finger, wie es sich anfühlt.

Sie haben zwei Jahre in Paris gelebt und Theater gespielt. Danach, kaum zurück in Amerika, haben Sie direkt die Hauptrolle in „Honeymoon Killers“ bekommen...

Ja, aber das Komische war die zweite Filmrolle. Das war „Klute“, ich habe dort einen Fünf- Minuten-Auftritt. Beim zweiten Film muß man in Amerika Gewerkschaftsmitglied werden. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 220 Dollar, aber für die Rolle habe ich nur 200 Dollar bekommen.

Leben Sie selbst Leidenschaften aus, wie Martha in „Honeymoon Killers“?

Als ich jünger war, war ich ihr ähnlicher. Wenn mir vor vielen Jahren Ähnliches passiert wäre wie ihr, hätte ich wahrscheinlich auch so reagiert: Ihr Mann verlangte von ihr Morde als Liebesbeweise... Es gab Momente in meinem Leben, da war ich ebenso verletztlich und obsessiv. Ich bin später sehr rational geworden. Das liegt sicher daran, daß ich häufig genug verliebt war. Immer wollten mich die Männer neu erschaffen, nach ihrem Idealbild umbauen. Am Ende habe ich mich an deren Bedürfnissen orientiert und meine eigenen geopfert. Inzwischen möchte ich lieber selber etwas schaffen als zu sein, was ein Mann bei einer Frau sucht.

Gibt es nicht auch die Möglichkeit einer gleichberechtigten Beziehung?

So etwas gibt es nicht zwischen Mann und Frau.

Wie sahen Ihre Erfahrungen mit der Ehe aus?

Als ich verheiratet war, wollte ich eine Schauspielschule besuchen. Mein Mann sagte nur: Du bist jetzt verheiratet! Er war Marokkaner. Als wir in Marokko waren, zeigte er mir all die Lokale, in denen er mit seinen Freundinnen war, von außen. Von innen wollte er sie mir nicht zeigen, sein Kommentar: Du bist ja meine Frau.

Da haben Sie natürlich keine Sehnsucht nach dem Familienleben...

Ich kann für eine Armee kochen, aber ich kann keinen Fußboden putzen. Ich schreibe lieber ein Gedicht als aufzuräumen, meine Wohnung ist ein totales Chaos. Kinder müßten bei mir sechsjährig zur Welt kommen. Mit Kleinkindern hätte ich keine Geduld.

Welches waren Ihre besten Liebesaffären?

Mit langjährigen Freunden. Mit Menschen, mit denen man schon lange befreundet ist, muß keiner von beiden Bedingungen schaffen, an die sich der andere anpassen muß.

Wie sehen Sie ihre beruflichen Aussichten?

Da mußte ich lernen, meine Erwartungen zu reduzieren. Ich bekomme zur Zeit keine großen Rollen, immer nur diese Ein-Tages- Arbeiten.

Vielen Dank für dieses Gespräch. Interview: Gunter Göckenjan