piwik no script img

Eine Nummer zu groß

■ Ferdinand Fairfax' „Spymaker — The Secret Life of Ian Fleming“

Als Sohn von Sean Connery zur Welt zu kommen, muß wahrlich eine Bürde sein. Der Vater, die Inkarnation des Superhelden, muskelbepackt, mit dichtem Brusthaar, die Frauen immer fest im Griff, hatte als Darsteller des Geheimagenten James Bond schon Filmgeschichte geschrieben, als Sohnemann Jason noch in die Windeln machte. Wahrscheinlich wäre der Kleine viel lieber Krankenpfleger oder Ballettänzer geworden, aber mit so einem übermännlichen Papa und noch dazu einer schauspielenden Mutter (Diane Cilento) im Nacken, blieb dem zarten Sprößling wohl kaum eine Wahl.

Große Schauspielerfolge konnte Jason Connery bislang jedoch nicht erringen: ein recht ansehnlicher D'Artagnan auf britischen Bühnen, eine Hauptrolle als Robin Hood in einer amerikanischen Fernsehserie und Auftritte in Kinofilmen, wie Bye, bye Baby (mit Brigitte Nilson) oder Tank Malling — allesamt unbedeutende Werke. Um so gewagter also, daß er sich, quasi als coming out, eine Rolle ausgesucht hat, in der er den geistigen Vater seines Erzeugers spielt, nämlich den „spymaker“ Ian Fleming.

Als Kind einer britischen Aristokratenfamilie widersetzt sich Fleming dem Willen seiner strengen Mutter, die ihm eine seriöse Banker- Karriere zugedacht hat, und verdingt sich als Reporter bei der Nachrichtenagentur Reuter. Dort erschreibt er sich mit einer Enthüllungsreportage über das stalinistische Rußland schnell internationalen Ruhm. Der britische Geheimdienst wirbt ihn an, während des Zweiten Weltkriegs jagt er berüchtigte Nazispione. Nach erfolgreicher Mission zieht er sich aus dem Geheimdienstgeschäft zurück und wird Schriftsteller. Ebenso wie seinem Alter Ego James Bond, liegen auch dem leibhaftigen Fleming alle Frauen zu Füßen: die fleißige Reuter-Sekretärin ebenso wie die kaltblütige Nazispionin oder die Geheimdienstchefin Leda. Als Indikator für Gut und Böse dient dem Vaterlandskämpfer Fleming die Lippentemperatur. „Cold lips“ kennzeichnen die verschlagenen Frauen. Bösartige Nazis enttarnen sich hingegen durch ihre sadistischen Neigungen und krankhafte Zockerleidenschaft. So jedenfalls erzählt uns Regisseur Ferdinand Fairfax, der bislang fast ausschließlich fürs Fernsehen arbeitete, die Geschichte des Erfolgsschreibers Fleming, dessen Agententhriller den Stoff für insgesamt 18 kassenfüllende Kinofilme abgaben.

Fairfax ging es bei seinem „Secret Life of Ian Fleming“ weder um autobiographische Genauigkeit noch um psychologische Innenansichten. Die Story ist ganz auf die vordergründigen Actionelemente eines James- Bond-Films angelegt, ohne jedoch an dessen Überdrehtheit und jene exzessiven Materialschlachten auch nur annähernd heranzureichen. Die Sets wirken unecht, es riecht nach Pappmaché und Theaterschminke, auch wenn die Erstürmung einer alten Festung, die den Nazis als Stützpunkt diente, am realen Schaupatz in Szene gesetzt wurde.

Was den Bond-Filmen als Romanvorlage gedient haben soll, wirkt auf der Leinwand allenfalls wie ein Bond-Plagiat. Fleming sieht aus wie das glattgekämmte blonde Double des 007-Agenten. Selbst nach einer lebensbedrohlichen Verletzung und kräftezehrendem Aufenthalt in der sibirischen Einöde, strahlt er uns aus dem Krankenbett an wie das glattrasierte aseptische Model aus der „Jockey“-Herrendessous-Reklame. Armer Jason Connery; sein Befreiungsversuch vom Übervater mußte einfach scheitern. Den Ian-Fleming- Fans empfehlen wir anstelle der faden Secret Life-Geschichte die nochmalige Lektüre seiner Spionagekrimis. Und dem gefallenen Macho- Sohn ein paar Stunden auf der Therapeuten-Couch. Ute Thon

Ferdinand Fairfax: Spymaker — The Secret Life of Ian Fleming, mit Jason Connery, Kristin Scott Thomas und Joss Ackland, GB 1989, 96 Minuten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen