Adieu Frauensolidarität

■ Die parteiübergreifende Fraueninitiative zur Fristenregelung ist so gut wie gescheitert KOMMENTARE

Es ist eine prima Vorstellung und eine ganze Riege von Frauenpolitikerinnen in Bonn geht damit nur zu gern hausieren. Frauenpower im Bundeshaus, Sisterhood statt Parteiraison und so weiter und so weiter. Die Bonner Ladies können sich die schönen Worte sparen. Die Taten, sie folgen leider nie. Der gemeinsame Entwurf für eine modifizierte Fristenregelung von SPD- und FDP- Frauen war erstaunlich weit gediehen. Zu weit für die Männer in der FDP, die in letzter Sekunde die Notbremse zogen. Der Koalitionspartner CDU könne verärgert reagieren, hieß im Vorstand. Und prompt zogen die Frauen der FDP, Irmgard Adam- Schwätzer und Uta Würfel, die nicht vorhandenen Schwänze ein. Wenn die Frauen in Bonn, und das gilt nicht nur für die FDP, da ist es nur besonders krass, nicht endlich mehr Mumm zeigen, bekommen wir in diesem Land die Fristenregelung nie. Frauenpolitisch ist das, was sich in diesem Jahr in Bonn abspielte, eine Kette von Niederlagen. Was nützen Quoten, wenn die Frauen Männerpolitik betreiben?

Dabei hätte diese interfraktionelle Initiative ohnehin keine unmittelbaren Folgen gehabt; es wäre bestenfalls zur ersten Lesung gekommen. In der neuen Legislaturperiode hätte der Entwurf neu eingebracht werden müssen. Die Bedeutung lag im Symbolischen. Eine Art Testlauf für die FPD, ob sie an den Vorgaben ihres Wahlprogramms festhalten will und tatsächlich bereit ist, der CDU eine Abstimmung ohne Koalitionszwang in Sachen 218 abzutrotzen. Denn angesichts der künftigen Machtverhältnisse im Bundestag läßt sich der 218 nur auf diese Weise kippen. Der jetzige Rückzieher aber läßt für die Zukunft nicht hoffen.

Zu befürchten ist ferner, daß der FDP, aber auch Teilen der SPD, an dem Entwurf der umstrittene Punkt Beratung nicht weit genug geht. Die Frauenpolitikerinnen hatten bis jetzt nämlich einen relativ geschickten Kompromiß ausgeheckt: Zwar kommen die Frauen darin nicht um eine Bedenkfrist und Beratung herum, denn dem Arzt, der den Abbruch vornehmen soll, muß die entsprechende Bescheinigung vorgelegt werden, andernfalls muß er — so der Entwurf — Bußgeld zahlen. Aber die Beratung hätte sehr formalisiert mit einer Informationsbroschüre stattgefunden, die jeder schwangeren Frau auszuhändigen gewesen wäre. Entwürdigende Fragen nach dem Wieso und Warum einer Entscheidung für eine Abtreibung wäre den Frauen so weitgehend erspart geblieben.

Kritische Fragezeichen aber sind insgesamt zur Konzeption angebracht. Denn der Entwurf enthält zugleich einen umfangreichen Katalog an sozialen Leistungen: von der Erhöhung des Kindergeldes für Alleinerziehende bis zum Rechtsanspruch für Kindergartenplätze. So wichtig und überfällig diese Verbesserungen sind — in einem Gesetz über die Fristenregelung haben sie eigentlich nichts zu suchen. Die Befürworterinnen behaupten jedoch, eine Fristenregelung werde nur dann Bestand vor den Karlsruher Verfassungsrichtern haben, wenn gleichzeitig der „Schutz des ungeborenen Lebens“ durch soziale Hilfen gesichert werde. Nun steht Gesetzen für verbesserte Sozialleistungen nichts im Wege, aber warum müssen sie so unmittelbar mit der Fristenregelung verknüpft werden? Erstens gibt es für Frauen wesentlich mehr als allein materielle und soziale Gründe, sich gegen ein Kind zu entscheiden. Unterschwellig sind hier doch bigotte Moralvorstellungen vorhanden. Zweitens ist auf der praktisch-politischen Ebene bei diesem Junktim zu befürchten, daß die Finanzminister von Bund und Ländern die anfallenden Kosten zum Vorwand nehmen könnten, die Fristenregelung scheitern zu lassen.

Im Moment aber hängt der Entwurf ohnehin in der Luft. Renate Schmidt ist zwar fest entschlossen, ihn weiterhin einzubringen — aber nur mit den Unterschriften von Frauen der CDU und FDP. Eine wunderbare Gelegenheit für die Frauen der Ost-CDU, die bei ihren Wählerinnen mit der Fristenlösung in der Pflicht stehen, und auch für die „Dissidentinnen“ bei der CDU-West Zivilcourage zu zeigen. Ansonsten sollen uns die Bonner Politikerinnen das ganze Gerede über Frauensolidarität bitte in Zukunft ersparen. Helga Lukoschat