Japan streitet um die Rolle als Weltpolizist

■ Die Skepsis in Japan gegen jedwede Form von Truppen-Entsendung in die Golfregion bleibt trotz Gesetzesvorstoß Kaifus

Tokio/ Berlin (taz) — In Japan wird die Debatte um eine mögliche Entsendung eines unter UNO-Signet operierenden „Friedenscorps“ in den Golf offenbar heftiger und kontroverser geführt als in der Bundesrepublik. Nachdem die Regierung Kaifu am Dienstag einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedete, der von beiden Kammern des Parlaments verabschiedet werden muß, schließen politische Beobachter in Tokio nicht aus, daß dies für Ministerpräsident Toshiki Kaifu politisch brisant werden könnte. Neben der grundsätzlichen Kritik der Opposition an der Truppenentsendung wird Kaifu von Kreisen aus der eigenen konservativen LDP (Liberale Demokratische Partei) vorgeworfen, einen vorschnellen Kotau vor den USA gemacht zu haben.

Der Gesetzentwurf, der die Entsendung von ca. 1.000 Mitgliedern einer Einheit aus Militärs und Zivilisten in die Golfregion vorsieht, stößt bei der stärksten Oppositionspartei, den Sozialisten, auf heftigen Widerstand. Deren Parteivorsitzende Takako Doi verlangte denn auch vorgestern im Laufe einer heftigen Parlamentsdebatte die Zurücknahme der Initiative, die erstmals seit dem 2. Weltkrieg eine japanische Truppenentsendung bedeuten würde. Für die Sozialisten ist dies ein ganz klarer Bruch der Verfassung von 1947, mit der das Nachkriegsjapan auf das Recht zur Kriegsführung verzichtet hatte. Immer noch ist eine klare Mehrheit der japanischen Bevölkerung gegen ein Wiedererstarken des Militärs und außenpolitische Aktivitäten. Laut ‘Washington Post' stehen die Mehrheiten in der Bevölkerung jüngsten Umfragen zufolge mit 2:1 bis zu 4:1 ganz klar gegen jedwede Truppenentsendung.

Kaifu hat diesen sensiblen Punkt zu umschiffen versucht, indem er die Gesetzesinitiative als verfassungskonform präsentierte — für eine Verfassungsänderung fände sich keine Mehrheit. Das Friedenscorps sei ein Beitrag zur „kollektiven Sicherheit“ und nicht Akt verfassungswidriger „kollektiver Selbstverteidigung“. Die nicht-militärischen Aktivitäten des mit kleinen Waffen ausgerüsteten Kontingents entsprächen den UNO-Reglements für Friedenstruppen, Japan sei schließlich Mitglied der UNO und müsse entsprechend Verantwortung tragen. „Wir haben von überall zu hören bekommen, daß es einfach nicht ausreicht, wenn wir nur Geld geben“. Japan, so der Ministerpräsident, müsse als ökonomische Supermacht auch eine aktive Rolle in der Weltpolitik spielen.

Seit Beginn der Debatte in Japan wurde unter dem Einfluß anderer Mitglieder der LDP die Gesetzesinitiative so verschärft, daß es zwar wahrscheinlich ist, daß sie im Unterhaus durchkommt. Im Oberhaus jedoch haben die konservativen LDPler vergangenes Jahr ihre Mehrheit durch einen Schmiergeldskandal namens „Recruit“ verloren. Auch ist vorerst unklar, welche innerparteilichen Süppchen mithilfe des Gesetzes für oder gegen Kaifu gekocht werden.

Das Gesetz jedenfalls muß bis zum 11. November verabschiedet sein, wenn die Parlamentsperiode zuende geht und man sich auf die Inthronisation des neuen Kaisers vorbereitet.