„Hort des Schreckens und des Terrors“

In Aachen geht der erbitterte Streit um den geplanten Neubau eines Moschee-Komplexes weiter  ■ Aus Aachen Bernd Müllender

Professor Khalid Duran, selbst Moslem und Lehrstuhlinhaber für Islamwissenschaften in Washington, war zur Podiumsdiskussion am Dienstagabend extra aus den USA angereist. Er sprach Klartext: Nach seinen Quellen und Recherchen gebe es keinen Zweifel, daß dem Islamischen Zentrum Aachen (IZA) nach wie vor die fanatischen syrischen Moslembrüder vorstünden. Vom „Hort des Schreckens und des Terrors“ war die Rede, von „politischem Totalitarismus“. Duran hatte sich in den 70ern noch für Moscheebauten in Deutschland eingesetzt, mußte dann aber feststellen, daß sich überall Extremisten der Bruderschaften breitmachten.

Neben Durans knallharten Worten gab es kaum neue Argumente in der Debatte um den geplanten Moschee-Neubau in Aachen, meist nur Beschimpfungen und Beleidigungen. Alle plädierten für Toleranz und Pluralismus und brüllten sich gleich darauf gegenseitig nieder. Die Debatte, von den meisten mit geradezu heiligem Eifer geführt, geht jetzt in die sechste Woche. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Das Islamzentrum wünscht, vorgeblich aus Platzmangel, einen Moschee-Neubau samt umfangreichen Schulungszentren und islamischer Fernuniversität, Kosten 30 bis 60 Millionen Mark, das größte islamische Bethaus Mitteleuropas (siehe taz vom 12.9.90).

Die SPD ist nach wie vor vehement dafür, sie will den multikulturellen Dialog, pflegt seit langem Freundschaft mit den Arabern. Die FDP unentschlossen, aber tendenziell liberal dafür; CDU aus Angst vor Verbindungen zum Irak und den geheimgehaltenen Geldgebern dagegen, Republikaner aus tumbem Ausländerhaß sowieso — und dazu die Grünen der Stadt, und sie am heftigsten. Ausgerechnet sie hatten die erregten und giftigen Debatten angezettelt, die das IZA bald „Rufmord und ungeheuerliche Verleumdung“ nannte. Die Ablehnung des Neubaus brachte der Ökopartei alsbald auch aus den eigenen Reihen den Vorwurf ein, gemeinsame Sache mit Rechtsradikalen zu machen, gegen die Religionsfreiheit zu sein, intolerant und ausländerfeindlich. Die Grünen behaupten aufgrund verschiedener Quellen, die Leitung des Zentrums liege bei radikalen Kräften der arabischen, besonders der syrischen Moslembruderschaften, die auf einen Gottesstaat hinarbeiten, insbesondere das verhaßte Regime Assad in Syrien mit Gewalt zu stürzen versuchten, und heiligen Kriegern anderer Länder seit Jahren Hilfe und Logistik bieten.

Den Grünen wird immer wieder vorgehalten, sie sollten Beweise bringen. Die haben sie nicht, aber zahlreiche Belege und Indizien. Da sind verbürgte Aussagen und wissenschaftliche Literaturstellen, die Aachen als „Hauptquartier“ und „Kommandozentrale“ des islamischen Terrors bezeichnen. Nicht mehr bestritten vom IZA wird mittlerweile, daß kürzlich noch der afghanische Rebellenführer Hekmatjar im Zentrum sprach. Seine Mudschaheddin haben dutzende politischer Morde an afghanischen Intellektuellen auf dem Gewissen.

Das Islamische Zentrum verteidigt sich, tut dies aber bisweilen ungeschickt und widersprüchlich. Treffen in den Räumen der alten Bilal- Moschee von extremistischen Studentenzirkeln, die laut Verfassungsschutzbericht '89 „das Todesurteil gegen Salman Rushdie ausdrücklich billigten“, wurden erst bestritten, später zugegeben. Die Forderung nach Beweisen, lächelnde oder auch wutempörte Dementis sind mager für eine Organisation, an deren Spitze ein Mann wie Issam El- Attar steht. Zumindest war El-Attar lange Jahre Führer der syrischen Moslembrüder, jetzt aber erklärt er sich für ausgetreten — zunächst nannte er als Datum 1981, später verlegte er den Zeitpunkt zurück in die sechziger Jahre. Damit kann er sich politisch der Verantwortung der von den syrischen Muslimbrüdern angezettelten Massaker von Aleppo 1979 (über 100 Tote) und dem Bürgerkrieg um Hama Anfang 1982 (30.000 Opfer) entziehen.

Duran stellte die Frage, ob nicht die Beweisschuld beim Zentrum liegen müsse, daß seine Führer ihrer gewaltbereiten Politik abgeschworen hätten. Es sei doch bezeichnend, daß noch 1981 der syrische Geheimdienst versuchte, El-Attar in Aachen zu ermorden (seine Frau kam dabei ums Leben). Islam-Forscher vom Hamburger Orient-Institut schreiben, noch 1981 habe sich El-Attar öffentlich gegenüber arabischen Journalisten als Führer der Muslimbrüder ausgegeben und in seinen Schriften die Anschläge gutgeheißen. Auch der Verfassungsschutz NRW bestätigt auf Anfrage, El-Attar sei heute noch Führer der „Islamischen Avantgarden“, einer Teilgruppe der Bruderschaft. Und Innenminister Herbert Schnoor machen, wie er gegenüber der taz erläuterte, „die Muslimbrüder in Aachen ganz klar deutliche Sorgen, aber unsere Waffen gegen sie sind leider sehr beschränkt“.

Schließlich verweist das Islamzentrum auf den zivilen Charakter der geplanten Fernuniversität. Bereits jetzt gebe es, behauptet Zentrumssprecher Nadeem Elyas, mit der Fernuni Hagen „Zusagen für eine Kooperation und das Know how.“ Uni-Hagen-Sprecher Günter Bröhl zur taz: Herr Elyas habe zwar vorgesprochen, „aber nur mit viel Geld gewinkt und beim Rektor einen denkbar schlechten Eindruck hinterlassen“. Wenn er von irgendeiner Kooperation spreche, sei das „nichts als absoluter Bluff“.

Weil die Wahrheit so schwer zu ergründen ist, kommen verwegene Lösungsideen: 1. Man möge das IZA bauen lassen, jede Mark in eine Moschee sei eine weniger für Bomben und Waffen in Syrien. 2. Auch Scheich Zayed, Präsident der Emirate am Golf, der zur ab und zu zur Zahnbehandlung ins Aachener Klinikum kommt und dabei lastwagenweise Konsumgüter des höheren Scheichbedarfs einkauft, sei Moslem und möglicherweise einer der anonymen Geldgeber — bei einer islam-feindlichen Stimmung in Aachen werde er dann woanders sein Geld lassen. Und der dritte Vorschlag von einem Aktivisten des Zentrums: „Terrorismus kann auch im kleinen Kellerchen praktiziert werden, dann seien Sie lieber für ein Großzentrum, da können Sie es besser überblicken.“ Dafür gab es von den Seinen prasselnden Beifall.